Die Entwicklung des Klimas auf den erdähnlichen Planeten

Von James F. Kasting, Owen B. Toon und James B. Pollack, aus „Spektrum der Wissenschaft“ April 1988 (Titelbild von mir ausgewählt).

Früher galten Planeten mit gemäßigtem, terrestrischem Klima in unserer Galaxis als seltene Ausnahmen. Nun aber folgt aus mathematischen Modellen, daß Planeten außerhalb des Sonnensystems häufig lebensfreundlich sein könnten.

Warum ist Mars für Lebewesen zu kalt, Venus zu heiß und die Erde gerade richtig? Auf den ersten Blick scheint dieses klimatische Rätsel leicht lösbar. Es leuchtet ein, daß die Erde mit ihrer lebensfreundlichen mittleren Temperatur von 15 Grad Celsius an der Oberfläche zufällig gerade im richtigen Abstand von der Sonne entstanden ist, nicht aber die Planeten Mars (- 60 Grad Celsius) und Venus (+ 460 Grad Celsius); darum gibt es nur auf der Erdoberfläche Wasser in flüssiger Form und somit eine Grundvoraussetzung für Leben.

Aber durch bloßen Zufall lassen sich die Temperaturen dieser erdähnlichen Planeten mit Gesteinskruste nicht vollständig erklären. Wir behaupten, daß die drei Nachbarn – sie alle sind auf gleiche Weise entstanden, nämlich durch Zusammenstöße großer Mengen von Planetenvorläufern, sogenannten Planetesimalen – einander einst in vieler Hinsicht glichen: Auf ihren Oberflächen gab es ähnliche Minerale und in ihren Atmosphären ähnliche Gase, darunter auch Kohlendioxid und Wasserdampf; und in allen drei Fällen war das Klima so gemäßigt, daß Wasser in flüssiger Form große Teile der Oberfläche bedecken konnte.

Die enorm verschiedenen Klimaverhältnisse entstanden vor allem, weil die drei Planeten ihr Kohlendioxid unterschiedlich gut zwischen Kruste und Atmosphäre auszutauschen vermochten. Kohlendioxid ist neben Wasserdampf und bestimmten anderen Substanzen ein sogenanntes Treibhausgas. Es läßt die Sonnenstrahlung durch, absorbiert jedoch die vom Planeten aufsteigende infrarote Wärmestrahlung und strahlt sie teilweise zur Planetenoberfläche zurück, welche dadurch um rund 35 Grad erwärmt wird. Im besonderen zeigen Berechnungen unserer Gruppe bei der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA sowie anderer Wissenschaftler, daß die Erde vor allem deswegen immer ein gemäßigtes Klima gehabt hat, weil ihr Austauschmechanismus die Kohlendioxidmenge in der Atmosphäre erhöht, wenn sich die Planetenoberfläche abkühlt; hingegen erniedrigt sich die Kohlendioxidmenge, wenn die Bodentemperatur ansteigt. Mars ist heute tiefgefroren, weil er die Fähigkeit eingebüßt hat, das Kohlendioxid wieder in seine Atmosphäre freizusetzen. Auf der Venus wiederum ist es so unerträglich heiß, weil dort das umgekehrte Problem entstanden ist: Sie vermag das Kohlendioxid nicht aus ihrer Atmosphäre zu entfernen. (Merkur, der vierte terrestrische Planet, hat keine Atmosphäre; seine Temperatur wird ausschließlich von der Sonnenstrahlung bestimmt.)

Das Paradoxon der „anfänglich schwachen Sonne“

Doch unser Interesse an der Rolle des Kohlendioxids bei der Evolution von Erde, Mars und Venus rührt von einem anderen kosmologischen Rätsel der Erdentstehung her: dem Paradoxon der „anfänglich schwachen Sonne“ (englisch: faint-young-sun paradox). Praktisch jedem Modell der Sternentwicklung zufolge strahlte die Sonne vor ungefähr 4,6 Milliarden Jahren, als das Sonnensystem entstand, um 25 bis 30 Prozent schwächer als heute. Anscheinend hat seither die Leuchtkraft der Sonne, das heißt ihre Strahlungsintensität, ungefähr linear mit der Zeit zugenommen.

Dieses Paradoxon entsteht, wie Carl Sagan und George H. Mullen von der Cornell-Universität in Ithaca (New York) vor ungefähr 15 Jahren festgestellt haben, wenn man folgendes einsieht: Falls die ursprüngliche Erdatmosphäre der heutigen ähnlich gewesen wäre, müßte die Erde bei anfangs schwacher Sonnenstrahlungsintensität in der Zeit bis vor ungefähr zwei Milliarden Jahren völlig von Eis bedeckt worden sein.

Das war aber nicht der Fall. Im Gegenteil, Sedimentgesteine zeigen an, daß es auf der Erde seit mindestens 3,8 Milliarden Jahren, also vom Beginn der geologischen Zeitrechnung an, flüssige Ozeane gegeben hat. Außerdem existiert seit mindestens 3,5 Milliarden Jahren Leben auf der Erde, und daraus folgt, daß die Erdoberfläche seither niemals ganz zugefroren war. (Wasser kann zwischen 0 und 374 Grad Celsius eine Flüssigkeit sein; heute siedet und verdunstet es zwar in Meereshöhe bei 100 Grad Celsius, doch unter größerem Luftdruck bleibt Wasser auch bei höheren Temperaturen flüssig.)

Sagan und Mullen erkannten, daß dieses Paradoxon verschwindet, wenn man annimmt, daß sich die Erdatmosphäre im Laufe der Zeit verändert. Hätte der Planet beispielsweise anfangs eine geringere Bewölkung als heute gehabt, dann wäre weniger einfallende Sonneneinstrahlung in den Weltraum reflektiert worden, und der Planet wäre entsprechend wärmer gewesen. Ungefähr 30 Prozent der Sonneneinstrahlung, die gegenwärtig die Obergrenze der Erdatmosphäre erreicht, werden in den Weltraum reflektiert, größtenteils durch Wolken. Eine kältere Erde wäre wahrscheinlich weniger bewölkt gewesen, aber nach den geologischen Befunden war die Erde anfangs sogar wärmer als heute: Zwar ist sie heute teilweise von Gletschern bedeckt, aber nichts deutet darauf hin, daß es früher als vor etwa 2,7 Milliarden Jahren jemals eine ähnliche Vereisung gegeben hat.

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