Der „universale Krieger“ (4): Der Kult des Badass

Von Bret Devereaux. Original: The Universal Warrior, Part III: The Cult of the Badass, veröffentlicht am 19. Februar 2021 (A Collection of Unmitigated Pedantry). Fortsetzung von (1): Soldaten, Krieger und…(2): Die vielen Gesichter der Schlacht und (3): Das Los eines Soldaten. Der Originalessay enthält keine Bilder, da dem Autor keine passenden einfielen, aber das von mir (dem Übersetzer) verwendete vom „Regiment Asow“ passt sehr gut zu dem, worum es hier geht.

Dies ist der dritte und letzte Teil (IIIaIIb) einer Diskussion der Vorstellung, dass es einen „universalen Krieger“ gibt – eine transzendente Gleichheit der Erfahrung des Krieges oder von „Kriegerwerten“, die irgendeine nützliche Blaupause für das Leben allgemein oder irgendeine Art von fundamentaler Wahrheit über die Erfahrung des Krieges liefern könnte.

Während der letzten drei Wochen haben wir uns die historischen Belege angesehen, um zu sehen, ob es irgendeinen Hinweis auf irgendeine universale Kriegserfahrung oder einen universalen Satz von Kriegerwerten gibt. Was wir stattdessen gefunden haben, ist, dass fast alles daran, wie Menschen Krieg führen, abgesehen davon, dass sie das tun, enorm von einer Kultur zur nächsten variiert, von einem Ort zum anderen, von einer Periode zur anderen. Kulturelle Erwartungen, soziale Werte, technologische Bedingungen, ganze Systeme der Kriegführung und auch einfache Umstände bestimmen die Erfahrung des Krieges und die Werte, die Kämpfer haben, auf extreme Weisen, die die Suche nach einem „universalen“ Satz von Kriegerwerten zu einem eindeutig zum Scheitern verurteilten Unterfangen machen.

Aber wie am Anfang dargelegt, war der „universale Krieger“ nicht bloß ein (zutiefst fehlerhaftes) Argument über die Struktur und die Erfahrungen der Vergangenheit, sondern auch der Grundstein einer ideologischen Blaupause dafür, wie man sein modernes Leben führen soll. Und daher ist es nun Zeit, dass wir uns von den (ziemlich schlechten) historischen Wurzeln dieser Idee ab und den (wie sich herausstellt, schlimmeren) ideologischen Implikationen der Idee zuwenden.

Noch einmal mit Gefühl

In einem gewissen Sinn waren die vorherigen drei Beiträge, während sie Spaß gemacht haben, in Wirklichkeit bloß eine sehr lange Präambel zu dem Argument, das ich hier vorbringe, daher möchte ich sowohl darlegen, warum ich mit einer dreiwöchigen Präambel begann, bevor ich zum Punkt kam („wie sonst würdet ihr wissen, dass ich das war?“) als auch die Schlussfolgerungen aus all dem zusammenführen, bevor wir weitermachen.

Warum also die Präambel? Weil ich sichergehen wollte, dass wir vor Beginn der Diskussion der zugrundeliegenden Ideologie, die hinter den Behauptungen der Universalität irgendeines „Kriegerethos“ lauert, den Konter entschärft hatten, dass, was auch immer die unerfreulichen Implikationen sein mögen, der „universale Krieger“ historisch wahr sei. Dies musste zuerst erledigt werden, weil ich der Meinung bin, dass Wahrheit eine absolute Verteidigung in solchen Dingen ist; das Universum enthält sehr viele Tatsachen, die frustrierend unangenehm sind, doch als Historiker müssen wir uns mit der Welt befassen, wie sie ist, statt wie wir sie gern hätten (oder wie wir wünschten, dass sie gewesen wäre). Folglich war es, bevor ich mich über die Ideologie beschweren konnte, notwendig festzustellen, ob die historische Theorie wahr oder auch nur entfernt plausibel war.

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Der „universale Krieger“ (3): Das Los eines Soldaten

Von Bret Devereaux. Original: The Universal Warrior, Part IIb: A Soldier’s Lot, veröffentlicht am 12. Februar 2021 (A Collection of Unmitigated Pedantry). Fortsetzung von Der „universale Krieger“ (1): Soldaten, Krieger und… und Der „universale Krieger“ (2): Die vielen Gesichter der Schlacht.

Dies ist die Fortsetzung des zweiten Teils einer dreiteiligen ( IIIaIIbIII) Diskussion der Vorstellung, dass es einen „universalen Krieger“ gibt – eine transzendente Gleichheit an der Erfahrung des Krieges oder an „Kriegerwerten“, die irgendeine Art von nützlicher Blaupause für das Leben im Allgemeinen oder eine fundamentale Wahrheit über die Erfahrung des Kriegers liefern könnte.

Wir begannen diesen Abschnitt letzte Woche, indem wir uns die Formen des Krieges zusammen mit der direkten emotionalen Erfahrung des Krieges ansahen. Was wir herausfanden, ist, dass es ganz konträr dazu, dass es nur eine Art von Krieg gebe, die „sich nie ändert“, es in Wirklichkeit mehrere Systeme des Krieges gibt, die sehr verschieden funktionieren (mit beträchtlichen Variationen innerhalb dieser Systeme und zwischen ihnen), was so weit geht, dass Armeen oft Gegner, die nach einem anderen System operieren, fast völlig fremd finden.

Außerdem war, wie wir diskutiert haben, die Erfahrung der Schlacht, nicht bloß die Technologie, Taktiken und Umstände, sondern auch die rohe emotionale Erfahrung (hinsichtlich Mut und Angst) auch nicht konstant. Unterschiedliche Kulturen verstanden „Mut“ verschieden (und wir müssen daran denken, dass die Übersetzung hier trügerisch sein kann – die meisten von ihnen verstanden „Mut“ gar nicht, sie verstanden andreia oder fortis oder corage oder woohitike, die letztendlich subtil verschiedene Dinge sind und nie ganz genau Mut), und verschiedene Schlachten flößten unterschiedliche Arten von Angst ein, die jene Kämpfer auf unterschiedliche Weisen belasteten.

Nun werden wir weitermachen und uns einige der anderen Faktoren der Kriegserfahrung ansehen: die Wichtigkeit von Kameraden, die Mühen und Plagen des Krieges und natürlich Wunden (physische und mentale) und ihre Heilung. Ein weiteres Mal werden wir unter Missbrauch der Eröffnungszeilen der Fallout-Serie fragen, ob es wirklich wahr ist, dass „der Krieg, der Krieg sich nie ändert.“

(Oben: Die ikonische Einleitungszeile aller Fallout-Spiele [dies ist die Version aus Fallout 4]. Wie wir sehen werden, klingt sie wahr, ist es aber nicht. Der Krieg ändert sich sehr.

Bindungen

Was ist mit den persönlichen Beziehungen, die im Kontext eines Konflikts gebildet werden? Sicherlich ist die „band of brothers“ eine wahrhaft universale Erfahrung, richtig? (Aber beachtet die Komplexitäten von Shakespeares Henry V) Sicherlich sind die sozialen Bindungen, die die Easy-Company 1944 und 1945 zusammenhielten, dieselben wie jene von 1415? Oder 415?

Nun, nein. Nicht ganz.

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Der „universale Krieger“ (2): Die vielen Gesichter der Schlacht

Von Bret Devereaux. Original: The Universal Warrior, Part IIa: The Many Faces of Battle, veröffentlicht am 5. Februar 2021 (A Collection of Unmitigated Pedantry). Fortsetzung von Der „universale Krieger“ (1): Soldaten, Krieger und…. Kopfbild aus Wikipedia, The Two-Thousand Yard Stare von Thomas Lea (1944).

Dies ist der zweite Teil einer vierteiligen (IIIaIIbIII) Diskussion der Idee eines „universalen Kriegers“ – die Annahme, dass es eine transzedente Gleichheit der Erfahrung des Krieges oder von „Kriegerwerten“ gibt, die irgendeine Art von fundamentaler Wahrheit für das Verständnis des Krieges in der Vergangenheit oder Gegenwart liefern könnte, oder eine nützliche Blaupause für das gegenwärtige Leben allgemeiner. Bei der Untersuchung dieser Frage benutze wir Steven Pressfields neue Videoserie als unser Kontrastmaterial, nachdem sie ein vollständiger erklärter Ausdruck dieser Idee ist und man immer versuchen sollte, die stärkere Form des gegnerischen Arguments zu debattieren.

Letztes Mal sahen wir uns den gesellschaftlichen Platz von Menschen an, die in einen Krieg involviert sind. Wir fanden heraus, dass – weit davon entfernt, dass es einen universalen Kombattanten gäbe – die Unterscheidungen zwischen Soldaten und Kriegern sowohl bedeutsam für die Gegenwart als auch wichtig für das Verständnis der Vergangenheit sind. Und über diese simple Dichotomie hinaus verbirgt die Idee einer universalen Kriegserfahrung wiederum die Grundtatsache, dass viele Menschen, die weder Krieger noch Soldaten waren, keine eigentlichen Kombattanten irgendeiner Art, den Krieg auf einzigartige Weisen erlebten, seien Sie Opfer des Krieges, Unterstützer an der Heimatfront oder wirtschaftlich in dem Unterfangen investiert. Wir haben bereits gesehen, dass es viel mehr als bloß eine Art von Person mit einer Kriegserfahrung gibt.

Diese Woche (und nächste) werden wir unseren Fokus auf nur die Kombattanten verengen und fragen, in welchem Ausmaß überhaupt die Erfahrung des Soldatenlebens (oder Kriegerlebens) eine gemeinsame ist. Beschwört sie dieselben Emotionen herauf oder erfordert sie dieselbe Art von Charakter? Ist die durch dieselben Werte bedingt? Gehören dazu dieselben Aktivitäten oder Erfahrungen? Wird Kampf von einer Gesellschaft zu einer anderen gleich verstanden?

Selbst so eingeengt ist unser Thema notwendigerweise massiv, nachdem wir die Erfahrung aller Kriege zu allen Zeiten betrachten. Aber zum Glück (für den Verschleiß meiner Tastatur, wenn schon sonst nichts) braucht unsere These – dass es sehr viel allgemeines Universales in der Kriegserfahrung gibt – nicht überall getestet zu werden, wenn gezeigt werden kann, dass sie an vielen Orten versagt. Folglich werden wir hier ein bisschen herumspringen; ich hoffe, der Leser wird verstehen, dass ich diese Beispiele als weitgehend repräsentativ statt erschöpfend meine.

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Starship Troopers bekommt ein Dutzend an der Gräting (2): Die Diskussion

Übersetzte Kommentare (ab hier) aus dem Originalstrang zu Rick Robinsons Essay „Starship Troopers“ bekommt ein Dutzend an der Gräting (Rocketpunk Manifesto, 19. März 2010). Bilder vom Übersetzer eingefügt.

Unknown [MRig]:

Johnny Rico lebt in einer kaputten Gesellschaft. Wir müssen das selbst herausfinden, denn das Buch ist in der ersten Person erzählt, was ihn definitionsgemäß zu einem unzuverlässigen Erzähler macht. Heinlein mag seine Ansichten im Allgemeinen teilen, aber der Punkt ist, dass wir nur Ricos höchst subjektive Perspektive sehen.

Der Autoritarismus der Militärausbildung ist in Ordnung in einer Gesellschaft wie unserer, wo es zum Großteil Freiwillige sind (obwohl es einige wirtschaftliche Probleme gibt, die die Arbeiterklasse einem ungebührlichen Druck aussetzen, sich zu verpflichten). Aber das Buch macht klar, dass man, wenn man in dieser Welt ein Vollbürger sein will, diese schreckliche Ausbildung über sich ergehen lassen und, wenn man sie besteht, einen xenozidalen Ausrottungskrieg führen muss. Wenn man aussteigt, hört man nicht nur auf, ein Vollbürger zu sein, sondern verliert auch jede Chance, jemals einer zu werden.

Die Herrschenden der Gesellschaft sind daher eine Kabale jener Leute, vorzugsweise großteils Männer, die diese brutale Tortur durchgestanden haben, denen aber auch von Jugend an und durch ihre Ausbildung hindurch beigebracht wurde, dass sie allein sie zu würdigen Bürgern der Republik macht. Es gibt dementsprechend wenig Vielfalt in der regierenden Klasse, und keinen Druck von unten nach oben. Ohne Reformen dieses Regierungssystems wird diese Art von Leuten generationenlang an der exklusiven Macht bleiben, wodurch der Militarismus mit einer ordentlichen Dosis konservativer, ältlicher Sturheit verkalkt wird. [Anm. d. Ü. zu „wenig Vielfalt“: Johnny Rico ist aber ein Filipino, Sergeant Jelal wird als „finnisch-türkisches Mischblut“ bezeichnet, es gibt Japaner unter den Rekruten, etc…]

Faschistisch? Ich würde dieses Wort nicht verwenden, aber etwas in der Art. Sie sind militaristisch, ungleich und genozidal. Das Individuum muss sich völlig dem Staat unterwerfen, um überhaupt erst ein Individuum zu werden. Sie sind demokratischer als Faschisten, aber nicht viel.

Vielleicht kann man mit den Bugs nicht vernünftig reden. Vielleicht gibt es, obwohl das nicht zwangsläufig daraus folgt, eine andere Wahl, als sie auszuradieren. Aber in einer Gesellschaft wie jener, die in Starship Troopers die Erde beherrscht, trifft dasselbe auch auf die Affen zu.

ElAntonius:

Ich habe gerade nicht die Zeit, um mich in eine voll durchdachte Antwort auf den Beitrag und MRigs Kommentar zu vertiefen, aber ich wollte auf etwas hinweisen:

Heinlein glaubte SEHR, dass es die Natur erfolgreicher Spezies sei, einander zu eliminieren. Er macht kein Hehl daraus: es gibt in der Galaxis keinen Platz für die Affen und die Bugs.

Es ist zugegebenermaßen keine sehr erbauliche Ansicht, aber es ist keine ohne ein Gefühl eines schweren, pessimistischen Realismus.

jollyreaper:

Das größte Problem, dem wir bei den großen Gedankenexperimenten in Form von Romanen mit politischen Themen begegnen, ist, dass sie letztendlich eine ausgefeilte Hypothese sind, die niemals wirklich einem Test unterzogen wird. Wie jeder Wissenschaftler oder Ingenieur euch sagen wird, kann der Test in der wirklichen Welt eine Sache sein, die demütig macht. Aber oftmals werden die Verfechter dieser Ideen schwören, dass sie funktionieren, und auf den Roman als Beispiel dafür verweisen, wie erfolgreich sie sein könnten!

Letztendlich sind wir wie zwei Generäle, denen die Langeweile eines langen, glorreichen Friedens zusetzt. Die Technologie hat Fortschritte gemacht, neue Taktiken sind entwickelt worden, sie finden sich als lautstarke Gegner in der Debatte darüber wieder, welche Methode überlegen ist. Und diese Frage kann unmöglich definitiv geklärt werden ohne eine Erprobung in einem richtigen Krieg. Aber selbst wenn die Anwendung des ersten Satzes von Taktiken zu einer vernichtenden Niederlage führt, werden die Verfechter vielleicht nicht bereit sein, jene Taktiken aufzugeben, und behaupten, dass das Scheitern nicht an den Taktiken lag, sondern daran, dass sie nicht energischer angewandt wurden!

Gleichwohl mache ich hier meine eigene Behauptung auf Basis eines unbegründeten Gedankenexperiments: Ich denke, es gab da irgendein Zitat aus einem griechischen Drama, dass die Quelle der Tragödie für einen großen Mann mit seiner Stärke zusammenhängen wird. Ich denke, etwas in der Art kann man über Regierungsformen sagen. Die Elemente, die ihnen Stärke geben, werden mit der Zeit verrotten und zur Ursache des Falls werden. Aber ich sage auch, dass jede Maschinerie bei fehlender Wartung versagen wird. Man gibt der Maschine nicht die Schuld für die fehlende Gewissenhaftigkeit des Mechanikers.

Ich kann sehen, wie ein System wie das von Heinlein vorgeschlagene erfolgreich funktionieren könnte, und ich kann sehen, wie es schließlich im Laufe der Zeit in Stücke fallen könnte.

Isegoria:

Ich habe das Buch ewig nicht mehr gelesen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Militärdienst ausdrücklich nicht die einzige Art von Dienst an der Allgemeinheit ist, die einen für das Wahlrecht qualifiziert – und Nicht-Vollbürger haben volle Eigentumsrechte etc. Sie sind keine Heloten.

Z:

Du hast meine enthusiastische Zwiespältigkeit schön eingefangen – mir fällt kein anderes Buch ein, dass sich seit dem Alter von neun Jahren wahrscheinlich vier- oder fünfmal gelesen habe und bei dem ich immer noch nicht sicher bin, ob ich es per se mag.

Seine relative thematische Einfachheit ist die Quelle sowohl von viel meines Genusses als auch meiner Betroffenheit. Die SF des Goldenen Zeitalters war im Großen und Ganzen die Verehrung des Gedankenexperiments in erster Näherung – die geistreichen spätnächtlichen Konversationen beim Bier über gesellschaftliche Fragen, ausgedehnt über ein paar hundert gedankenanregende, aber letztendlich simplistische Seiten. Uns wird eine Zivilisation mit einer politischen Kultur präsentiert, die vorgeblich auf einer starken Kultur der Freiwilligkeit und des staatsbürgerlichen Dienstes beruht (yay!), mit einem Mechanismus, mit dem versucht wird, moralische Gefahren durch selektives Wahlrecht abzuwehren (interessant, aber dass Heinlein versteht, warum die Wehrpflicht schlecht war, aber nicht, warum das allgemeine Wahlrecht gut ist, eh…), die ihren Status durch ständiges Kriegführen zur Unterstützung eines erfundenen, vage rassistischen möchtegern-malthusianischen Imperativs aufrechterhält (ick ick ick und noch dazu beweisbar falsch) – und dieses ganze Paket, vom bewundernswerten Ideal bis zu den entsetzlichen Implikationen, wird als eine große, leicht zu schluckende Pille über Bindungen unter Männern präsentiert, völlig ohne Ironie oder Nuance. Beim selektiven Wahlrecht mit militärischem Schwerpunkt geht es funktionell bloß um Feudalismus, und während zum Beispiel Dune voller feudaler Kulturen ist, wo ich nicht scharf darauf wäre, darin zu leben, hatte ich nie das beunruhigende Gefühl, dass die Charaktere die Risse in der Fassade nicht bemerkt hatten und es mir zu verkaufen versuchten – ganz im Gegenteil, in den späteren Fortsetzungen.

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Die Größe von Streitkräften in Science-Fiction-Welten, realistisch betrachtet

Von Bret Devereaux. Original: Fireside Friday, April 22, 2022, veröffentlicht am 22. April 2022 (A Collection of Unmitigated Pedantry). (Bilder – aus Star Wars sowie Halo-Dropships über Bodenfahrzeugen – vom Übersetzer eingefügt.)

Für meine Überlegungen diese Woche möchte ich mich eines etwas leichteren Themas annehmen: die Größe von Science-Fiction-Weltraumarmeen (und in geringerem Maß Raumflotten). Es ist schon seit Langem beobachtet worden, dass Sci-Fi-Autoren kein Gefühl für Maßstäbe haben, und das ist sicherlich eine faire Beobachtung. Tatsächlich scheinen, wenn es um die Größe von Armeen geht, die meisten Autoren wenig Gespür für Maßstäbe zu haben, aber in galaxisüberspannenden Space Operas kann man um mehrere Größenordnungen gegenüber dem richtigen Ausmaß danebenliegen. Dennoch möchte ich Einspruch gegen manche Annahmen erheben, dass verschiedene Science-Fiction-Zivilisationen Billionen von Kampfsoldaten oder viele tausend Kriegsschiffe haben sollten.

Das erste Thema ist, was im militärischen Sprachgebrauch das Verhältnis von „Zahn zu Schwanz“ genannt wird. Dies ist das Verhältnis der Zahl der wirklichen Kampfsoldaten (dem „Zahn“) zum Logistik- und Unterstützungspersonal (dem „Schwanz“) in einer Streitkraft. Beachtet, dass dies Individuen in der Streitkraft sind – die Frage der unterstützenden zivilen Wirtschaft ist eine separate. Es ist nämlich so, dass das Verhältnis Zahn-zu-Schwanz dazu tendiert hat, sich im Laufe der Zeit zu einem längeren Schwanz zu verlagern, insbesondere so wie die Kriegsführung zunehmend industrialisiert und technisch geworden ist.

Die römische Legion zum Beispiel bestand im Wesentlichen nur aus Zahn. Während es eine Bezeichnung für Unterstützungstruppen gab, die immunes, die so genannt wurden, weil sie von bestimmten Pflichten im Lager befreit waren, befanden diese Kerle sich dennoch in der Schlachtreihe, wenn die Legion kämpfte. Zu den immunes gehörten Pioniere, Katapultmannschaften, Musiker, Handwerker und andere Spezialisten. Natürlich folgten den Legionen auch zivile Nichtkombattanten – Marketender etc. – aber in den eigentlichen Reihen der Soldaten war der „Schwanz“ minimal.

Man kann so ziemlich dasselbe in der Organisation mittelalterlicher „Lanzen“ sehen – Einheiten um einen einzelnen Ritter. Die burgundische „Lanze“ der späten 1400er setzte sich aus neun Männern zusammen, von denen acht Kombattanten waren (der Ritter, ein zweiter Reiter, der coustillier, und dann noch sechs unterstützende Soldaten, drei beritten und drei zu Fuß), und einer, der Page, war ein voller Nichtkombattant. Ein Zahn-zu-Schwanz-Verhältnis von 8:1. Diese Art von „zahnlastiger“ Zusammensetzung ist in vorindustriellen Armeen häufig.

Die industrielle Revolution ändert eine Menge, so wie die Kriegsführung sich genauso sehr um die Mobilisierung von Feuerkraft zu drehen beginnt, typischerweise in Form von Massenartillerie, wie um die Mobilisierung von Männern. Wir fokussieren uns in unseren Geschichten selten auf die Artillerie, aber der moderne Krieg – das heißt, Krieg seit ungefähr 1900 – wird von der Artillerie dominiert, und von anderen Formen von „fires“. Immerhin war Artillerie, nicht Panzer oder Maschinengewehre, die führende Todesursache im Kampf während beider Weltkriege. Plötzlich besteht die Hauptsorge der Logistik, statt jeden Soldaten vielleicht 30 – 40 kg Ausrüstung tragen zu lassen und ihm vielleicht 1,5 kg Lebensmittel pro Tag zu essen zu geben, darin, ein 9 Tonnen schweres Feldgeschütz zu bewegen, das während eines Trommelfeuers(1) vielleicht etwa 14.000 kg Granaten pro Tag verfeuert, und das durchgehend über mehrere Tage. Plötzlich braucht man eine Menge mehr Personal für das Bewegen der Granaten, als man für das Schießen mit der Artillerie braucht.

Als die Armeen sich nach dem Ersten Weltkrieg und besonders nach dem Zweiten Weltkrieg motorisierten, wurde das noch schlimmer, da eine Einheit motorisierter oder mechanisierter Infanterie eine kleine Armee von Mechanikern und Logistikpersonal für die Beschaffung von Ersatzteilen brauchte, um motorisiert zu bleiben. Als Folge davon stürzte das Verhältnis von Zahn zu Schwanz ab, kehrte sich um und entwickelte sich dann in dieser Richtung weiter. In der US Army im Ersten Weltkrieg war das Verhältnis 1:2,6 (beachtet, dass wir das vorindustrielle Verhältnis umgedreht haben, das sind 2,6 nichtkämpfende Soldaten für jeden kämpfenden Frontsoldaten), bis zum Zweiten Weltkrieg war es 1:4,3, und um 2005 war es 1:8,1. Nun sollte ich anmerken, dass es hier auch eine Menge Variation gibt, besonders während des Kalten Krieges, aber der allgemeine Trend ist gewesen, dass diese Zahl ständig steigt, so wie komplexere, teurere und hochtechnologische Waffen in die Kriegführung einbezogen werden, weil all diese neue Ausrüstung Techniker und Mechaniker erfordert, um sie zu warten und zu versorgen.

Warum denke ich, dass dies für Science-Fiction-Armeen relevant ist?

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Wie es nicht war: Game of Thrones und das Mittelalter, Teil 1

Von Bret Devereaux. Original: How It Wasn’t: Game of Thrones and the Middle Ages, Part I, veröffentlicht am 28. Mai 2019 (A Collection of Unmitigated Pedantry – A look at history and popular culture).

Diese Serie ist nun im Audioformat verfügbar; die gesamte Playlist kann man hier anhören.

Der folgende Beitrag ist der erste Teil einer dreiteiligen Serie, wo wir uns die Frage ansehen: „wie mittelalterlich ist Game of Thrones?“ und – wenn nicht auf dem europäischen Mittelalter – auf welcher Periode der Geschichte beruht es am meisten? In jedem Teil werden wir auf einen anderen historischen Rahmen zurückgreifen; zuerst auf die Militärgeschichte, dann auf die Sozialgeschichte und schließlich auf die politische Geschichte.

Teil 1, den ihr jetzt gerade lest, wird sich damit aus der Perspektive der Struktur von Krieg und Konflikt befassen. Teil 2 (hier) wird diese Frage stattdessen aus einer Perspektive der Sozialgeschichte stellen und kulturelle und religiöse Normen zusammen mit Fragen nach Geschlechterrollen und Familienstruktur. Zuletzt wird Teil 3 (hier) politische Strukturen und Normen betrachten (und auch die Schlussausführungen enthalten).

Aber zuerst möchte ich eine Frage beantworten: Warum mache ich mir die Mühe? Ist das nicht alles ein Haufen nutzloser Korinthenkackerei? Nun, erstens – was habt ihr von einem Blog erwartet, der A Collection of Unmitigated Pedantry heißt? Nutzloses Korinthenkacken ist unsere Spezialität. Aber – wenigstens einmal – denke ich, dass das nützliches Korinthenkacken ist. Für sehr viele Menschen wird Westeros zum Gesicht des europäischen Mittelalters werden und verzerrende vorgefasste Vorstellungen über diese Periode weiter bestärken. Wie wir die Vergangenheit sehen, hat einen enormen Einfluss darauf, was wir über die Gegenwart denken. Insbesondere verschafft uns die Tendenz, die ferne Vergangenheit als eine Zeit der hemmungslosen Barbarei zu sehen, sowohl ein unverdientes Überlegenheitsgefühl als auch oft eine gefährliche Überheblichkeit – „wir sind nicht mehr so, das kann nicht mehr passieren – die Menschen in der Vergangenheit waren einfach dumm“. Aber sie waren nicht einfach dumm oder einfach Verrückte – sie waren Menschen. Menschen sind Menschen, egal wann sie lebten.

Ich kann nicht mehr zählen, wie oft mir von enthusiastischen Fans gesagt worden ist, dass Game of Thrones anderen Fantasy-Werken überlegen sei, weil es eine mittelalterliche Gesellschaft zeige, „wie sie wirklich war“ oder „realistischer“. Manchmal wird dieses Lob einfach auf „die Vergangenheit“ extrapoliert, als ob die menschliche Erfahrung eine Dualität zwischen „dem Jetzt“ (wo die Dinge gut sind) und „der Vergangenheit“ (als die Dinge einheitlich schlecht waren) sei. Die Behauptung, Game of Thrones sei dem „wirklichen“ Mittelalter getreuer, ist eine Behauptung nicht nur über Game of Thrones, sondern auch über die Natur des Mittelalters selbst. Und diese Behauptung verdient beurteilt zu werden. [Unten: Für ein Mittelalter ist mehr erforderlich als Ritter wie diese! Nicht zuletzt, weil diese Ritter nicht mittelalterlich sind – sie stammen von ca. 1540, aus der frühen Neuzeit (ca. 1450 – 1789).]

Dies ist ein Teil des Grundes, warum ich mich dafür entschieden habe, primär die Fernsehserie Game of Thrones zu betrachten und nicht die Buchreihe Das Lied von Eis und Feuer (A Song of Ice and Fire, ASOIAF). Die Fernsehserie – die viele Millionen Menschen mehr erreicht und kulturell viel weitere Verbreitung hat – wird eine viel größere Wirkung auf die öffentliche Wahrnehmung der Vergangenheit haben. Außerdem scheint, um ehrlich zu sein, die „Verteidigung der Historizität“, die wiederholt für die Fernsehserie vorgebracht wird, als Verteidigung für die Bücher weniger gängig zu sein (teilweise vielleicht, weil Buchfans das Gefühl zu haben scheinen, dass die Bücher weniger Verteidigung benötigen).

Wir sollten für den Zweck dieses Vergleichs das europäische Mittelalter auch definieren. Das Mittelalter in Europa erstreckte sich von ca. 500 n. Chr. bis ca. 1450 n. Chr. eine beinahe 1000jährige Periode. Verständlicherweise gibt es massive Unterschiede zwischen dem wie Krieg und Gesellschaft im Jahr 550 aussahen verglichen mit 1350. Aber die äußere Aufmachung von Game of Thrones ist viel spezifischer: die Ritter in Plattenrüstungen, höfische Damen und kriegerische Turniere beschwören alle das Hochmittelalter (ca. 1000 – 1250) und das Spätmittelalter (ca. 1250 – 1450), daher ist das die Periode, mit dem wir es primär vergleichen werden.

Und schließlich zwei letzte Vorbehalte, bevor wir uns in die Sache stürzen. Erstens ist dies keine Kritik am Worldbuilding von George R. R. Martin. Es gibt immerhin keinen Grund, warum seine Fantasy-Welt dem europäischen Mittelalter getreu sein muss (wir werden auch über bekannte/mögliche historische Inspirationen reden, sowie wir dazu kommen). Ich denke nicht, dass Martin sich vorgenommen hatte, eine raffinierte Vorlesung über die Kultur des Mittelalters in Fantasyromanform zu entwerfen, daher kann man ihm nicht vorwerfen, etwas unterlassen zu haben, das er nie auch nur versuchte. Zweitens wird diese Betrachtung sich mehr auf die Fernsehserie als auf die Bücher beziehen, einfach weil die TV-Serie komplett ist und es leichter ist, etwas Vollständiges zu diskutieren – dennoch können Elemente des ASOIAF-Hintergrundes, die es nicht in die TV-Serie schafften, aber dennoch illustrativ sind, zur Sprache kommen.

In Ordnung? Stürzen wir uns in die Sache.

Weiterlesen „Wie es nicht war: Game of Thrones und das Mittelalter, Teil 1“

„Fustest With the Mostest“: Logistik, Weltraumkrieg und Raumpiraten

Von Rick Robinson. Original: Fustest With the Mostest, veröffentlicht am 31. Mai 2007 (Rocketpunk Manifesto).

Wenn man Wikipedia trauen kann, dann hat der US-Bürgerkriegsgeneral Nathan Bedford Forrest das anscheinend niemals wirklich gesagt (und hatte auch nie etwas mit dem Ku Klux Klan zu tun). Er sagte aber doch „git thar fust with the most men“ [„als Erster mit den meisten Männern dort hinkommen“], was dem nahe genug kommt.

Ich bringe das zur Sprache wegen Dougs Kommentar zu einem früheren Beitrag, dass die Lanchester–Gleichungen so abstrakt sind, dass sie bloß das Offensichtliche sagen – wenn man einen Kampf hat, dann ist es gut, mehr Kerle zu haben. Das sind die Chancen. Taktik ist, wie man es entgegen schlechter Chancen schafft. Doch eines jener standardmäßigen militärischen Sprichwörter, die immer wieder geäußert werden, ist, dass Amateure Taktik studieren und Profis Logistik. Das Kennzeichen eines großen Generals ist nicht so sehr, schlechten Chancen zu trotzen als vielmehr die Würfel zu manipulieren.

In seinem nächsten Kommentar lässt Doug jedoch die Katze aus dem Sack – indem er bekennt, dass das wirkliche Problem mit der Lanchester’schen Logik des Tiefraumkampfes ist, dass sie coole Sachen wie Raumpiraten ausschließt. (Off-topic? Nicht im Geringsten! In diesem Blog geht es im Grunde um Romance, und dazu gehören ganz bestimmt Pirates in SPAAACE!)

Logistik. Allein schon das Wort, wie „Ökonomie“, killt die Romance und bestattet sie in einem seichten Grab. Sie hat einen gewissen Geek-Appeal für mich – wenn man eine imaginäre Straßenbahnlinie erfindet, muss man wissen, wie viele Straßenbahnwagen sie betreibt und wie viele Fünf-Cent-Münzen jeden Tag in den Fahrscheinautomaten klappern werden. (Damals im Elektrischen Zeitalter, als eine Straßenbahnfahrt fünf Cents kostete!). Logistik und Ökonomie sind beide wegen desselben Prinzips entscheidend für realistisches Worldbuilding, wenn man eine realistische Atmosphäre will: Wenn man ein Pirat ist, der Galeonen/Starliner auf ihrer jährlichen Reise ins Schlaraffenland überfällt, dann muss man wissen, wie viele Galeonen es zu überfallen gibt.

Dies befindet sich jedoch alles im Hintergrund. Der Leser erwartet nicht, eine Aufstellung der Importe und Exporte des Schlaraffenlandes zu sehen – nur ein paar der erlesensten Beispiele, wenn die schurkischen Helden eine Kiste aufbrechen oder einen Frachtbehälter öffnen. Noch weniger erwarten wir die logistischen Fundamente der Kriegführung zu sehen. Wir hören nur von den Seabees, wenn jemand sie angreift und sie zurückschießen müssen.

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Bestimmung: Determinismus in historischen und SF-Kämpfen

Von Rick Robinson. Original: Determination, veröffentlicht am 27. Mai 2007 (Rocketpunk Manifesto).

Ein Thema, das regelmäßig auftaucht, um Diskussionen über Weltraumkriegführung auf sfconsim-1 zu plagen, sind die Lanchester–Gleichungen. Diese sind ein Satz von Differentialgleichungen, die passenderweise in der Mitte des Ersten Weltkriegs ausgearbeitet wurden und eine militärische Grundwahrheit quantifizieren: Fortuna begünstigt die großen Bataillone.

Tatsächlich begünstigt sie die großen Bataillone noch mehr, als wir denken. Im Film greifen die Bösen den Helden immer nur einer auf einmal an; sogar Samurai-Helden dürfen sechs Ninjas auf einmal erledigen, bevor die nächsten sechs vortreten, um eine Lücke zu füllen. Wenn in einem wirklichen Kampf ein Schlachtschiff seinen Gegner versenkt hat, verlagert es sein Feuer einfach auf das nächste Feindschiff; wenn die Schlacht von Anfang an unausgeglichen ist, wird sie schnell immer noch unausgeglichener.

Der Schlachtruf bei der Schlacht von Maldon im Jahr 991,

Our hearts must grow resolute, our courage more valiant,
our spirits must be greater, though our strength grows less

ist auf düstere Weise treffend angesichts der Lanchester-Gleichungen: Man kann tapfer kämpfen, aber man wird trotzdem untergehen.

Was alles über Kommentare von Doug zu meinem letzten Beitrag zum Determinismus in Geschichte und Geschichten führt. Zählen Individuen und ihre Handlungen viel, oder tragen die großen Bataillone der historischen Kräfte den Sieg davon? In Geschichten mögen die tapferen Helden nicht immer gewinnen, aber sie spielen immer eine Rolle.

Sogar in der Romance kommt jedoch das Gesetz von Lanchester zu Wort, indem es die Grenzen des Plausiblen festsetzt. Unser heldenhafter Schwertkämpfer mag fähig sein, ein halbes Dutzend Feinde zu überwinden, weil seine Klinge schnell und sein Herz rein ist, aber wir werden sein Glück nicht überstrapazieren und zwei Dutzend Wachen auf einmal über ihn herfallen lassen. Oder wenn wir es tun, dann lassen wir die Vorsicht den besseren Teil der Tapferkeit sein, und der Held macht sich schnell über die Dächer davon.

Andernfalls beginnt der Leser zu argwöhnen, dass der Autor seine Hand im Spiel hat. Natürlich weiß der Leser, dass der Autor seine Hand im Spiel hat… aber wenn die Geschichte ihn nicht dazu bringen kann, das zu ignorieren, dann ist die Geschichte in Schwierigkeiten.

Weiterlesen „Bestimmung: Determinismus in historischen und SF-Kämpfen“

Flugzeugträger, Hyperschallwaffen und Weltraumkrieg: Nix is so fix

Von Bret Devereaux. Original: Fireside Friday: August 14th, 2020, veröffentlicht am 14. August 2020 (A Collection of Unmitigated Pedantry). (Das Titelbild ‚USSF Alan Shepard‘, ein Entwurf eines realistischen Kampfraumschiffs mit einem Buglaser als Hauptwaffe, stammt von Grokodaemon und wurde vom Übersetzer eingefügt.)

Für meine Überlegungen diese Woche möchte ich auf einige der Kommentare zu meinen letzten Überlegungen am Kamin zurückkommen. Die Kommentare zu diesem Artikel enthielten viele Vorschläge für technologische oder strategische Situationen, die Orbit-zu-Land-Operationen (lies: Planeteninvasionen) unnötig oder überholt machen würden oder auch nicht, was alles recht interessant war.

Was mir jedoch am meisten auffiel, war eine relative Gewissheit, wie Raumschlachten im Allgemeinen geführt werden würden, was ich sowohl ein bisschen hier in den Kommentaren gesehen habe als auch häufig allgemeiner in der Hard-sci-fi-Gemeinschaft. Die Annahmen laufen sehr ungefähr so, dass Raumschlachten ohne irgendeine Form von Magitech (wie Schilde) auf extreme Entfernungen geführt würden, mit verheerenden hyperpräzisen Waffen, gegen die es keine wirkliche Verteidigung geben könnte, was zu relativ „dünnhäutigen“ Raumschiffen führen würde. Ausweichen wird als Möglichkeit typischerweise abgetan und zusammen damit auch kleinere Fahrzeuge (wie Jäger) mit potenziell günstigeren Schub-zu-Masse-Verhältnissen. Es ist eigentlich praktisch für die Zusammenfassung dieser Sicht auf den Weltraumkampf, dass The Expanse dieses Modell im Wesentlichen reproduziert.

Und damit das klar ist, ich meine nicht, dass diese Vision vom zukünftigen Kampf auf irgendeine bestimmte Weise falsch ist. Sie könnte richtig sein! Aber ich finde die relative Überzeugtheit, mit der dieses Modell oft dargeboten wird, als mehr als nur ein bisschen irreführend. Das Problem ist nicht das Modell; es ist die falsche Gewissheit, mit der es präsentiert wird.

Reden wir einen Moment über Flugzeugträger – ich verspreche, dass wir wieder auf Raumschiffe zurückkommen werden (wenngleich manche von euch die Wasserschiffe genauso sehr genießen werden). Es gibt gegenwärtig eine seit Langem tobende Debatte um die Zukunft des Flugzeugträgers als Plattform, besonders für die US Navy (der bei weitem größte Betreiber von Flugzeugträgern auf der Welt), was so weit geht, dass ich vermute, dass die meisten Publikationen über nationale Sicherheit Begleitwebseiten ausschließlich für das endlose Gequake über Flugzeugträger und ihre angebliche Überholtheit oder Nicht-Überholtheit eröffnen könnten. Und doch werden neue Flugzeugträger weiterhin gebaut.

Nebenbei bemerkt: Dies ist eine jener Debatten, die schon so lange und so durchgehend gelaufen sind, dass es für normale Leute irreführend wird. Das meiste, was zu dem Thema geschrieben wird, besteht, nachdem die Schlachtlinien in der Debatte so klar gezogen sind, aus Alles-oder-nichts-Argumenten, die teilweise deshalb so nachdrücklich vorgebracht werden, weil jeder annimmt, dass alle anderen schon die andere Seite gelesen haben; es hat keinen Sinn, seinen Flugzeugträgerartikel in War on the Rocks exzessiv mit Vorbehalten zu versehen, weil jeder, der WotR liest, schon zwanzig gelesen hat und daher all diese Vorbehalte schon kennt. Nur dass natürlich der neue Leser sie nicht kennt und den Artikel lesen und annehmen wird, dass er den gegenwärtigen Stand der Debatte repräsentiert, und sich wundern wird, warum die Debatte nicht geklärt ist, wenn die Beweislage so stark ist. Das ist nicht ausschließlich bezüglich Flugzeugträgern so, wohlgemerkt – die verschiedenen Debatten über Hopliten (Ursprungsdatum, othismos, Einheitlichkeit der Phalanx) haben diesen Punkt ebenfalls erreicht; man könnte es einem Leser vieler „heterodoxer“ Werke zu dem Thema (eine Position, die am engsten mit Hans van Wees verbunden ist) leicht nachsehen, wenn er annimmt, dass sie das letzte Wort seien, wenn es mir immer noch erscheint, dass sie eine bedeutende, aber wahrscheinlich immer noch eine Minderheitenposition in dem Feld darstellen (obwohl sie jetzt vielleicht schon nahe am Gleichstand sind). Dies ist ein häufiges Phänomen bei seit Langem bestehenden Debatten von Spezialisten und somit etwas, wo man sich in Acht nehmen sollte, wenn man sich in ein neues Feld begibt; im Zweifelsfall zahlt einem Spezialisten ein Getränk und fragt nach dem „Stand der Debatte“ (nicht „wer hat Recht“, sondern „wer behauptet was“; seid euch bewusst, dass es im Allgemeinen die heterodoxe Position in diesen Debatten ist, die am lautesten ist, selbst als Minderheit).

Sehr kurz gefasst dreht sich die Trägerdebatte um ihre Kosten, ihre Verwundbarkeit und ihren Nutzen. Trägerskeptiker weisen darauf hin, dass Träger massive, teure Plattformen sind, die zunehmend gegenüber Seezielflugkörpern verwundbar sind und dass die stetig wachsende Reichweite jener Flugkörper Träger dazu zwingen würde, immer weiter von ihren Einsatzzielen entfernt zu operieren und sie potenziell zur Wahl zwingt, sich entweder zu exponieren oder ganz aus dem Kampfgebiet gedrängt zu werden (dies ist übrigens, was mit A2/AD- [„Anti-Access/Area-Denial“]-Waffen gemeint ist). Die vorgebrachte Befürchtung ist, dass Schwärme hyperschallschneller Langstrecken-Seezielflugkörper die Punktverteidigungskapazität einer Trägerkampfgruppe schlagen oder überfordern und den Flugzeugträger als wertvollsten Aktivposten treffen oder sogar versenken – einen Aktivposten, der zu teuer ist, um ihn zu verlieren.

Trägerbefürworter verweisen dann auf all die Missionen, für die Träger immer noch notwendig sind: Machtprojektion, Unterstützung von Bodengefechten, Seekontrolle, humanitäre Operationen und so weiter. Sie argumentieren, dass keine andere Plattform als ein Flugzeugträger zur Ausführung dieser Missionen fähig zu sein scheint, dass diese Missionen essenziell bleiben und dass kleinere Flugzeugträger in diesen Missionen wesentlich weniger effektiv zu sein scheinen, was den Wert der Verteilung von Aktivposten auf eine größere Zahl weniger teurer Plattformen begrenzt. Sie bestreiten auch das Ausmaß, in dem gegenwärtige oder zukünftige Waffensysteme die Trägerplattform gefährden.

Ich bin natürlich nicht hier, um die Trägerdebatte zu klären. Die Leute, die diese Artikel schreiben, wissen viel mehr als ich über moderne Seestrategie und Trägeroperationen.

Stattdessen bringe ich die Trägerdebatte zur Sprache, um eine Facette davon hervorzuheben, von der ich denke, dass sie auch für das Denken über Raumschiffe gilt: die Trägerdebatte operiert unter Bedingungen einer fürchterlichen technologischen Ungewissheit. Dies ist eines jener Dinge, die – wie ich oben erwähnte – einem entgehen können, wenn man bloß ein wenig von der Debatte liest. Fast keines der Waffensysteme, um die es hier geht, hat eine umfangreiche Kampfverwendung in einem Schiff-zu-Schiff- oder Land-zu-Schiff-Kontext erlebt. Marinedenker versuchen zu enträtseln, was passieren wird, wenn Träger mit unerprobter Stealthtechnologie, verteidigt von unerprobten Raketenabwehrsystemen, von unerprobten Hochgeschwindigkeits-Seezielflugkörpern bekämpft werden, die von unerprobten Satellitensystemen geleitet werden, welche von unerprobten Satellitenabwehrsystemen angegriffen werden, in einem Konflikt, wo selbst die Menschen in zumindest einer dieser kämpfenden Streitkräfte ebenfalls im Kampf unerprobt sind (ich sollte anmerken, dass ich „unerprobt“ hier nicht in dem Sinn meine, dass diese Systeme nicht Testläufen unterzogen wurden, sondern in dem Sinn, dass sie niemals im Zorn in dieser Art von Konfliktumfeld zwischen annähernd gleichwertigen Gegnern verwendet worden sind; es ist bei allen demonstriert worden, dass sie unter Testbedingungen funktionieren). Oh, und die untereinander verbundenen Computersysteme, die all diese Komponenten erfordern, werden wahrscheinlich Cyberangriffen von beispiellosem Ausmaß ausgesetzt sein.

Weiterlesen „Flugzeugträger, Hyperschallwaffen und Weltraumkrieg: Nix is so fix“

Macht orbitale Feuerkraft Planeteninvasionen überflüssig?

Von Bret Devereaux. Original: Fireside Friday: July 17th, 2020, veröffentlicht am 17. Juli 2020 (A Collection of Unmitigated Pedantry). (Hier übersetzt ohne die drei Einleitungsabsätze über dem Bild des Autors; das Video oben ist jenes, das er unten gleich im ersten Satz verlinkt.)

Für meine Überlegungen diese Woche möchte ich über dieses Video nachdenken und über die Argumente, die es bringt, besonders weil ich denke, dass der Macher des Videos, Spacedock, sich wegen der Feuerkraft in einer sehr gängigen Weise irrt. Zusammengefasst lautet Spacedocks Argument, dass Planeteninvasionen niemals stattfinden würden, weil der Feuerkraftvorteil einer feindlichen Flotte im Orbit in jedem Science-Fiction-Setting so groß ist, dass jeder Planet zur Kapitulation gezwungen wäre und dass folglich Science-Fiction-Armeen minimale, großteils aus Infanterie bestehende Garnisonstruppen wären.

Und da werden einige Annahmen über die Wirksamkeit von Feuerkraft aus der Luft (oder in diesem Fall aus dem Orbit) getroffen, die es wert sind, sich darauf zu stürzen.

Der erste bedeutende Punkt ist die Überlegung, worum gekämpft wird und weshalb. Während wir über Eroberungen oft im Sinne von „Land“ sprechen, war in der Praxis die primäre Ressource, auf deren Eroberung man abzielte, seit der landwirtschaftlichen Revolution – und zunehmend seither – nicht bloß Land, sondern auch die produktive Bevölkerung und die Infrastruktur auf diesem Land, entweder um direkt Ressourcen zu gewinnen (Eintreibung von Tribut) oder um die Bevölkerung als Versorgungsbasis für die Unterstützung von Kräften zu benutzen, die auf die Etablierung einer Kontrolle über die Region abzielen, um andere produktive Regionen sicher zu halten (denkt an befestigte römische Grenzen, die nicht nur gehalten werden, weil sie produktiv sind, sondern auch weil sie zwischen Feinden und den wirklich produktiven Gebieten liegen – dennoch, entvölkert die Grenzen und ihr habt keine Logistikbasis, auf der man eine Armee stationieren kann).

Was das bedeutet, ist, dass strategische Ziele der Möglichkeit des Einsatzes von orbitaler Feuerkraft wahrscheinlich scharfe Grenzen auferlegen, wenn das Ziel ist, den Planeten zu kontrollieren oder sogar in der Lage zu sein, in sinnvollerweise Ressourcen von ihm zu gewinnen. Eine Welt unter Einsatz von Nuklearmunition unbewohnbar zu schießen oder auch nur indem man große Felsen auf ihn stürzen lässt, könnte strategisch inakzeptabel sein. Außerdem werden die Verteidiger das wahrscheinlich in vielen Fällen wissen und ihre Verteidigung dementsprechend planen, so ziemlich wie heutige nichtstaatliche Kämpfer im Wissen planen, dass konventionelle militärische Feuerkraft in dicht besiedelten Gebieten oft eingeschränkter ist. Moderne Konflikte werden stark durch die Unmöglichkeit eingeschränkt, moderne Feuerkraft voll einzusetzen, ohne strategische Ziele zu opfern; es gibt keinen Grund zu denken, dass sich das in einem Weltraumkrieg ändern würde.

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