Pulsarnavigation für Reisen durch das Sonnensystem

Von Allen Versfeld. Original: Traveling the Solar System with Pulsar Navigation, veröffentlicht am 7. Mai 2022 (Universe Today). [Anm. d. Ü.: die hier vorgestellte Methode eignet sich natürlich auch für die Verwendung im interstellaren Raum und in anderen Sonnensystemen!]

Ein Forscherteam an der University of Illinois Urbana-Champaign hat eine Möglichkeit für Reisende durch das Sonnensystem gefunden, ihre genaue Position auszuarbeiten, ohne Hilfe von bodengestützten Beobachtern auf der Erde zu benötigen. Sie haben die Technik der Pulsarnavigation verfeinert, die Röntgensignale von fernen Pulsaren in ähnlicher Weise benutzt, wie das GPS Signale von einer Konstellation spezialisierter Satelliten nutzt, um eine exakte Position zu berechnen.

Navigation durch den Weltraum

Bevor man einen Kurs durch den Weltraum steuern kann, muss man die eigene Position und Orientierung kennen. Gegenwärtige Raumfahrzeuge können nur eines dieser Dinge unabhängig herausfinden. Sie können ihre Orientierung, oder die Richtung, in die das Raumfahrzeug zeigt, ziemlich leicht finden. Bordkameras können nach hellen Sternen oder der Sonne suchen und sie als Referenz benutzen.

Aber die Position ist ein viel schwerer zu lösendes Problem. Auf der Erde oder auch im niedrigen Erdorbit (LEO) kann man die Entfernung zu nahen Bezugspunkten messen und dann auf eine Karte übertragen. Aber das funktioniert nicht im tiefen Raum, wo Landmarken zu weit entfernt sind, um sie zu messen. Stattdessen überwachen Netzwerke von Bahnverfolgungsstationen auf der Erde Funksignale vom Raumfahrzeug. Sie berechnen dessen Entfernung, indem sie die Zeitverzögerung messen, und kombinieren sie mit der Richtung, aus der das Signal kam, um seine Position im Weltraum genau zu messen. Die Bodenstation kann dann diese Information an Mission Control oder an das Raumfahrzeug selbst übermitteln.

Das Problem

„Wir können Sternsucher benutzen, um die Richtung zu bestimmen, in die das Raumfahrzeug zeigt, aber um den genauen Ort des Raumfahrzeugs zu erfahren, stützen wir uns auf Funksignale, die zwischen dem Raumfahrzeug und der Erde gesendet werden, was viel Zeit beanspruchen kann und die Nutzung von überbuchter Infrastruktur erfordert, wie das Deep Space Network der NASA“, sagte Zach Putnam, Professor am Department of Aerospace Engineering in Illinois.

Dieses bewährte Standardsystem funktioniert, aber es gibt dabei einen Abtausch. So wie die Zahl der aktiven Weltraummissionen zunimmt, wird der Zugang zur Kommunikationsinfrastruktur zunehmend umkämpft. Und so wie wir Raumfahrzeuge weiter in den Weltraum hinausschicken, wird die Signallaufzeit hin und zurück länger werden. Das bedeutet, dass die Durchführung von Navigationsmessungen immer mehr Zeit brauchen wird. Zukünftige Weltraummissionen, bemannte und andere, werden schließlich in der Lage sein müssen, selbst zu navigieren, ohne Führung von der Erde. Zum Glück könnte die pulsarbasierte Navigation (XNAV), die nach ähnlichen Prinzipien funktioniert wie GPS, die Antwort sein.

Pulsarnavigation

Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne: die finalen Überreste von Sternen, die in einer Supernovaexplosion starben. Mit ihrer schnellen Rotation und ihren starken Magnetfeldern erzeugen sie Bündel starker Strahlung, die den Himmel überstreichen. Einzelne Pulsare rotieren mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, von nur ein paarmal pro Sekunde bis zu hunderten Umdrehungen pro Sekunde. Jeder Pulsar hat eine einzigartige Signatur, die ihn selbst mit einem sehr einfachen Radioempfänger identifizierbar macht.

(Oben: Der ESO-Astronom Jean-Baptiste Le Bouquin demonstriert, wie Wellenfronten interagieren, mit Knoten konstruktiver und destruktiver Interferenz. Dieses Bild wurde von Max Alexander aufgenommen. Copyright ESO/M. Alexander, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons)

Putnam und sein Team haben eine Möglichkeit gefunden, Pulsarsignale effizienter zu detektieren und zu verarbeiten. Dadurch kann ein Raumfahrzeug eine kleine Antenne und einen einfachen Empfänger benutzen, um die Röntgenemissionen mehrerer Pulsare aufzufangen. Nachdem diese Signale so beständig und vorhersagbar sind, kann der Empfänger genau berechnen, wann ein bestimmter Puls an jedem gegebenen Ort im Sonnensystem eintreffen wird. Jeder Puls bildet beim Durchqueren des Weltraums eine „Wellenfront“ – eine gekrümmte Raumregion, die all die Orte markiert, wo dieser bestimmte Puls gerade angekommen ist.

Diese Wellenfront ist ähnlich einer Welle, die sich über die Oberfläche eines Teichs bewegt. Wenn man jedoch zwei Wellen hat, die sich über denselben Teich bewegen, dann bekommt man sichtbare Knoten. Diese Knoten markieren die Stellen, wo die verschiedenen Wellenfronten sich überschneiden. Die Regionen im Raum, wo die Röntgenpulse von zwei Pulsaren interagieren, bilden ein ähnliches Knotenmuster. Je mehr zusätzliche Pulsare man hinzunimmt, desto seltener werden diese Knoten, bis man die eigene Position im Sonnensystem auf fünf Kilometer genau bestimmen kann.

Die Lösung

Die Arbeit von Putnam und seinem Team hat sich auf die Rechenalgorithmen fokussiert, die notwendig sind, um vorherzusagen, wie die Wellenfronten bekannter Pulsare an jedem gegebenen Ort interagieren werden. Ihr Ziel ist die effizienteste Art für die Durchführung dieser Berechnungen mit möglichst geringer Rechenleistung zu finden.

„Wir verwendeten den Algorithmus, um zu studieren, welche Pulsare wir beobachten sollten, um die Zahl der Kandidaten für die Position des Raumfahrzeugs innerhalb eines gegebenen Bereichs zu reduzieren“, sagte Putnam.

Ihrer Arbeit zufolge findet man die besten Ergebnisse, wenn man Signale von Pulsaren mit einem geringen Winkelabstand verwendet – von Pulsaren, die am Himmel nahe beieinander zu sein scheinen -, die auch langsamer pulsieren. Sie bestätigten auch, dass die Hinzunahme von mehr Pulsaren die Präzision verbessert. Dies ist leichter, aks zu versuchen, die Signalqualität zu verbessern, daher werden zukünftige Raumfahrzeuge XNAV mit billigeren und einfacheren Radioempfängern nutzen können.

Zuordnung

Sie können mehr in ihrer Studie „Characterization of Candidate Solutions for X-Ray Pulsar Navigation” lesen. Dieser Artikel wurde in IEEE Transactions on Aerospace and Electronic Systems veröffentlicht.

2 Kommentare zu „Pulsarnavigation für Reisen durch das Sonnensystem“

  1. Auf Universe Today ist ein Nachfolgeartikel zum obigen erschienen; hier meine Übersetzung davon:

    Bald wird jedes Raumfahrzeug unter Nutzung von Pulsaren autonom im Sonnensystem navigieren können
    Von Scott Alan Johnston

    Wenn man wissen will, wo im Sonnensystem man sich befindet, dann bringt man besser eine Karte mit. Aber es ist ein bisschen komplizierter, als Beifahrer auf einem Familienausflug zu sein.

    Die Navigation von Raumfahrzeugen jenseits der Erdumlaufbahn wird normalerweise von der Bodenkontrolle durchgeführt. Eine Anzahl von Radiokommunikationsanlagen überall auf dem Planeten, genannt Deep Space Network, ermöglicht den Operateuren den Kontakt mit Raumsonden und die Aktualisierung ihres Navigationsstatus. Das System funktioniert, aber es könnte besser sein. Was, wenn ein Raumfahrzeug seine Position autonom bestimmen könnte, ohne nach Hause telefonieren zu müssen? Das ist seit Langem ein Traum von Aerospace-Ingenieuren gewesen, und er nähert sich der Verwirklichung.

    Pulsare sind der Schlüssel.

    Pulsare sind rotierende Neutronensterne – die ultradichten Kerne explodierter Überriesensterne -, die Jets aus elektromagnetischer Strahlung von ihren Polen aussenden. Sie wirken wie interstellare Leuchttürme, die ihre Radiosignale wiederholt in einem zuverlässigen Rhythmus über die Erde streichen lassen. [Das Bild unten wurde vom Übersetzer hinzugefügt.]

    Der erste Pulsar wurde 1967 von Jocelyn Bell entdeckt und erhielt den Spitznamen LGM-1 (Little Green Men 1), denn bis ein zweiter entdeckt wurde, konnten außerirdische Intelligenzen nicht als die Ursache ausgeschlossen werden. Nun wissen wir von Tausenden und sind uns sicher, dass sie natürliche Phänomene sind.

    Weil Pulsarstrahlen so vorhersagbar sind, können sie für eine Art von Triangulation benutzt werden, bei der ein Raumfahrzeug, das sich überlappende Pulsarsignale empfängt, seine Position im Weltraum mit einer Genauigkeit von etwa 5 – 10 Kilometern bestimmen können sollte.

    Die theoretische Grundlage dieser Methode ist solide. So sehr, dass die goldenen Schallplatten (Zeitkapseln der Erde und der menschlichen Kultur), die in den 1970ern an der Seite der Voyager- und Pioneer-Raumsonden befestigt wurden, die Position unserer Sonne relativ zu 14 Pulsaren darstellten, nur für den Fall, dass irgendwelche Kleinen Grünen Männchen auf die Raumsonden stoßen und uns hier auf der Erde besuchen wollen. Wir haben ihnen Richtungsangaben geliefert. (Unten: Die Pioneer-Plakette, die die Erde in der Mitte zeigt und die Entfernungen zu 14 verschiedenen Pulsaren angibt. Bild: NASA.)

    Aber wenn Pulsare solch eine effektive Navigationsform sind, warum nutzt man sie nicht bereits? Immerhin laufen Studien zu dem Thema seit den 1970ern, als das Jet Propulsion Lab sich erstmals diese Möglichkeit anzusehen begann.

    Bei allen Weltraummissionen ist eine der hauptsächlichen Erwägungen das Gewicht. Es ist teuer, Sachen in den Weltraum zu schießen, daher zählt jedes Kilogramm auf jedem Fahrzeug. Jedes brauchbare Pulsarnavigationssystem müsste sehr klein und sehr leicht sein, andernfalls müssten zum Ausgleich wichtige wissenschaftliche Instrumente oder Treibstoff verringert werden. Dies ist eine bedeutende Barriere bei der Konstruktion eines praktikablen Pulsarnavigationssystems. Pulsare sind für gewöhnlich unglaublich schwache Punktquellen, was es schwierig macht, sie ohne leistungsfähige (schwere) Anlagen zu detektieren, besonders in Radiofrequenzen.

    Zum Glück gibt es eine Lösung, die das praktikabel machen könnte, und das ist die Verwendung eines Röntgenteleskops. Diese können kleiner und leichter sein und dennoch Pulsarsignale genauso gut auffangen wie eine Radioantenne. (Unten: NICER, ein Prototyp eines Pulsarnavigationssystem, der außen an der Internationalen Raumstation installiert wurde. Bild: NASA.)

    In den letzten Jahren haben Astronomen an der Verbesserung der Methoden gearbeitet, mit der ein Raumfahrzeug Pulsarsignale verarbeitet, die Effizienz des Systems gesteigert und die Fehlerspannen verringert. Es ist sogar Hardware auf der Internationalen Raumstation getestet worden, wo das waschmaschinengroße Experiment NICER/SEXTANT seit 2018 erfolgreich die Position der Station nachverfolgt hat. Nun arbeiten Teams an der Entwicklung von noch kompakterer Hardware für Tiefraummissionen. Ein im Vormonat auf ArXiv veröffentlichter Preprint beschreibt einen PODIUM genannten Prototypen einer Navigationseinheit, die nur 6 kg wiegen, 20 W Leistung benötigen und in ein Kastenmaß von 15 cm x 24 cm x 60 cm passen wird. Die ersten Ergebnisse sind verheißungsvoll. PODIUM sollte die Position eines Raumfahrzeugs unter Nutzung von Röntgensignalen aus einem Katalog von Pulsaren mit einer Genauigkeit von 10 km bestimmen können.

    Bald könnten diese Prototypen in der Praxis verwendet werden und die nächste Generation von Raumsonden zu ihren Zielen leiten. Sie werden wahrscheinlich auch für Menschen zugelassene Raumfahrzeuge leiten; es wird erwartet, dass die zukünftige NASA-Raumstation Lunar Gateway mit einem Pulsarnavigationssystem ausgestattet wird. Wir befinden uns an der Schwelle zu autonomer Tiefraumnavigation: wie GPS, aber für die Galaxis. Wenn wir jetzt nur noch Warpantriebe hätten…

    Gefällt 1 Person

  2. Von Andy Tomaswick am 30. September 2023 auf Universe Today erschienen, übersetzt von mir:

    Lasst den Roboter das Steuer übernehmen: Autonome Navigation im Weltraum

    Die Bahn von Raumfahrzeugen nachzuverfolgen, während sie den tiefen Raum durchqueren, ist nicht leicht. Bisher wurde das manuell gemacht, mit Operateuren des Deep Space Network der NASA, einer der leistungsfähigsten Kommunikationsanlagen für den Kontakt mit Sonden auf interplanetaren Reisen, die Daten von jedem Raumfahrzeug überprüfen, um zu bestimmen, wo im Sonnensystem es sich befindet. So wie immer mehr Raumfahrzeuge jene Reisen zwischen Planeten zu machen beginnen, wird dieses System nicht hochskalierbar sein. Daher beeilen Ingenieure und Experten für Orbitalmechanik sich, dieses Problem zu lösen – und nun hat ein Team vom Politecnico di Milano eine effektive Technik entwickelt, die jedem vertraut sein wird, der ein autonomes Auto gesehen hat.

    Visuelle Systeme spielen eine zentrale Rolle bei autonomen Fahrzeugen hier auf der Erde, und sie sind auch der Kern des Systems, das von Eleonora Andreis und ihren Kollegen dargelegt wurde. Statt Bilder von der umgebenden Landschaft aufzunehmen, nehmen diese visuellen Systeme, im Wesentlichen hochempfindliche Kameras, Bilder von den Lichtquellen um die Sonde auf und konzentrieren sich auf eine spezifische Sorte.

    Von jenen Lichtquellen weiß man, dass sie wandern, und sie sind auch als Planeten bekannt. Die Kombination ihrer Position in einem visuellen Rahmen mit einer präzisen Zeit, die an Bord der Sonde berechnet wird, kann den Ort genau bestimmen, wo die Sonde sich im Sonnensystem befindet. Wichtig ist, dass solch eine Kalkulation mit relativ minimaler Rechenleistung durchgeführt werden kann, was es möglich macht, den gesamten Prozess zu automatisieren, selbst in einem Cubesat.

    Dies kontrastiert mit komplizierteren Algorithmen wie jenen, die Pulsare oder Funksignale von Bodenstationen als Basis für die Navigation verwenden. Diese benötigen viel mehr Bilder (oder Funksignale), um eine exakte Position zu berechnen, und brauchen somit mehr Rechenleistung, als vernünftigerweise in einem Cubesat bei deren gegenwärtigem Entwicklungsniveau untergebracht werden kann.

    Planeten für das Navigieren zu nutzen ist jedoch nicht so einfach, wie es klingt, und der neue Artikel, der diese Technik beschreibt, hebt die verschiedenen Aufgaben hervor, die jeder derartige Algorithmus ausführen muss. Das Bild aufzunehmen ist nur der Anfang – herauszufinden, welche Planeten sich in dem Bild befinden, und daher, welche die für die Navigation nützlichsten sind, wäre der nächste Schritt. Diese Information für die Berechnung von Bahnen und Geschwindigkeiten zu verwenden kommt als Nächstes und erfordert einen exzellenten Algorithmus für Orbitalmechanik.

    Nach der Berechnung der gegenwärtigen Position, Flugbahn und Geschwindigkeit muss die Sonde alle nötigen Kurskorrekturen durchführen, um sicherzustellen, dass sie auf dem richtigen Weg bleibt. Bei Cubesats kann das so einfach sein wie ein paar Triebwerke feuern zu lassen. Dennoch kann jeder signifikante Unterschied zwischen dem erwarteten und dem tatsächlichen Schub in bedeutenden Abweichungen des schließlichen Ortes der Sonde resultieren. (Unten: Curious Droid hat ebenfalls eine Erläuterung, wie man im Weltraum herumkommt.)

    Um diese Abweichungen und jegliche anderen Probleme zu berechnen, die sich als Teil dieses autonomen Kontrollsystems ergeben könnten, hat das Team in Mailand ein Modell dessen realisiert, wie der Algorithmus auf einem Flug von der Erde zum Mars funktionieren würde. Rein unter Nutzung des visuellen autonomen Navigationssystems berechnete ihre Modellsonde ihre Position am Ende ihrer Reise innerhalb von 2000 km und ihre Geschwindigkeit auf 0,5 km/s genau. Nicht schlecht für eine Reise von insgesamt 225 Millionen Kilometern.

    Jedoch ist die Realisierung einer Lösung in Silizium eine Sache – sie in einer tatsächlichen Cubesat-Tiefraumsonde umzusetzen ist eine andere. Die Forschungsarbeit, die in dem Algorithmus resultierte, ist Teil eines Finanzierungsprogramms des Europäischen Forschungsrates, daher besteht eine Chance, dass das Team zusätzliche Mittel für die Umsetzung seines Algorithmus in Hardware bekommen könnte. Vorerst jedoch ist unklar, was die nächsten Schritte für den Algorithmus sind. Vielleicht kann irgendwo ein unternehmungslustiger Cubesat-Konstrukteur ihn aufgreifen und verwenden.

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Entdecke mehr von AstroSciFix

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen

Erstelle eine Website wie diese mit WordPress.com
Jetzt starten