Es gibt kein Fermi-Paradox

Von James Cambias. Original: There Is No Fermi Paradox, veröffentlicht am 21. Januar 2024 (Just the Caffeine Talking).

Das berühmte Fermi-Paradox ist eines der zentralen Anliegen der Suche nach außerirdischen Intelligenzen (SETI). Nur als schnelle Zusammenfassung: wir wissen von keinem guten Grund, warum technologische Zivilisationen nicht auf anderen Welten in unserer Galaxis entstehen können, aber wir sehen keine Anzeichen von irgendeiner. Paradox!

Wo sind sie alle?“ fragte Enrico Fermi traurig

Aber es ist kein Paradox. Wir sehen keine Anzeichen für außerirdische Zivilisationen, weil wir noch kaum Ausschau danach gehalten haben.

Die Milchstraße enthält 100 bis 400 Milliarden Sterne (und die Tatsache, dass die mögliche Bandbreite so groß ist, sollte vielsagend sein – es gibt eine Menge Dinge, die wir nicht wissen). Wie viele dieser Sterne haben wir nach Anzeichen für fortgeschrittene Zivilisationen abgesucht?

Nicht viele. Um eine Zivilisation wie unsere eigene auszumachen, könnte man nicht einfach einen Blick mit einem Radioteleskop auf unser Sonnensystem werfen und sofort irgendeine alte Sitcom-Sendung auffangen. So funktioniert das nicht. Man müsste über einen langen Zeitraum beobachten – Monate oder Jahre. Man müsste die schwachen Radioemissionen auffangen und sie mit dem Orbit der Erde um die Sonne und die eigene Rotation der Erde in Verbindung bringen.

Laut Jill Tarters Index auf technosearch.seti.org deckte die bisher größte Suche 290.000 Ziele ab. Die SERENDIP-Durchmusterung betrachtete 30 Prozent des Himmels, aber das waren alles Beobachtungen, die sich auf Beobachtungssitzungen anderer Astronomen stützten, daher untersuchten sehr wenige davon dasselbe Ziel wiederholt oder über einen langen Zeitraum. Das Projekt Breakthrough Listen zielt darauf ab, im Lauf des nächsten Jahrzehnts 1 Million Objekte zu studieren.

Das wäre… ein Prozent der Galaxis. Vielleicht weniger. Bei diesem Tempo würde es Jahrtausende dauern, die Aufgabe zu vollenden.

Das sind alles gute und wertvolle Projekte, aber sie sind schmerzlich begrenzt. Die wahre Lösung für das Fermi-Paradox ist eine sehr einfache: wir wissen nicht genug. Wir wissen nicht, ob es Sterne gibt, die in Megastrukturen wie außerirdische Dyson-Sphären gehüllt sind. Wir wissen nicht, ob es winzige, stark dopplerverschobene Punktquellen im interstellaren Raum gibt, die genau in der Farbe von Deuteriumfusions-Raketenabgasen brennen. Wir wissen nicht, ob es Sterne mit Rosetten aus koorbitalen Welten in ihren habitablen Zonen gibt, alle mit identischen Atmosphären und Oberflächentemperaturen. Wir wissen es nicht!

Ich erwarte aber doch, dass das Tempo von SETI sich beschleunigen wird, so wie Techniken verfeinert werden und die Infrastruktur wächst. Es gibt da auch die ermutigende Tatsache, dass der „Kicherfaktor“ bezüglich der Suche nach „kleinen grünen Männchen“ zwischen den Sternen abzunehmen scheint. Nach Jahrzehnten der unautorisierten Freizeit-Forschung bekommt SETI endlich ernsthafte Unterstützung. All das bedeutet, dass es wahrscheinlich keine tausend Jahre dauern wird, die anderen 99 Prozent der Sterne in unserer Galaxis abzusuchen. Vielleicht nicht einmal hundert Jahre.

Was dann? Was geschieht, wenn wir eine ernsthafte Anstrengung gemacht haben, den Himmel zu durchsuchen?

Nun, die Ergebnisse können zu vier Fällen verallgemeinert werden.

Fall 1: Nichts! Es ist 2124, und wir haben die Galaxis gründlich durchsucht und kein Zeichen von Intelligenz außer uns selbst gefunden. Vielleicht Anzeichen von Leben hier und dort, aber keine Radiosignale, keine Energieemissionen, keine künstlichen Strukturen. Anscheinend sind wir wirklich die einzigen denkenden Geister in der Galaxis.

Dies könnte in beide Richtungen gehen. Es könnte zu einer Abwendung von der Weltraumforschung führen, weil niemand wirklich gern über eine scheußliche, unendliche Leere nachdenkt. Vielleicht werden im Lauf der Zeit manche exzentrische Wirtschaftsbarone Kolonieprojekte auf dem Mond oder dem Mars finanzieren, und vielleicht werden die Ressourcen des erdnahen Weltraums Bergbauroboter anziehen, aber der Großteil der Menschheit wird für die absehbare Zukunft auf einem Planeten bleiben. Manche Leute mögen diese Vorstellung reizvoll finden, aber ich nicht. Für mein Empfinden ist es von da nur ein kleiner Schritt zum Selbstmord.

Oder vielleicht würde die Gewissheit, dass da draußen niemand ist, expansionistische Ideale in der Menschheit stimulieren. Anders als bei Forschungs- und Kolonisationsprojekten auf der Erde gibt es diesmal niemanden, der Schaden erleidet oder verdrängt wird. „Manifest Destiny“ im kosmischen Maßstab! Das Universum ist unser Sandkasten, und wir können damit spielen, soviel wir wollen! Es ist etwas, auf das man hoffen kann, nehme ich an.

Und so oder so erwarte ich, dass ein harter Kern von Unentwegten darauf beharren wird, dass wir einfach noch nicht genug gesucht haben. Dies wird zunehmend schwerer zu verkaufen werden, aber Menschen sind hartnäckig, und diese einsamen SETI-Sucher werden weiter horchen… in die Stille.

Fall 2: Wir sind gerade nicht ganz allein. Unsere Suchen ergeben eine oder zwei Zivilisationen. Sie sind tausende Lichtjahre entfernt und von bescheidener Größe. Dies würde natürlich das Interesse an der Idee einer Kommunikation mit ihnen anregen, selbst wenn es Jahrhunderte dauern mag, auch nur eine Antwort zu bekommen. Faktisch würde außerirdische Intelligenz zu einer coolen wissenschaftlichen Tatsache werden, aber wenig mehr als das. Weltraumforschung und Astronomie werden immer noch von kommerziellen Anliegen, Nationalstolz und wissenschaftlicher Neugier angetrieben werden, wahrscheinlich auf ungefähr demselben Finanzierungsniveau wie heute. Spinner werden ihre imaginären außerirdischen Freunden endlich einen Namen geben können, aber ansonsten geht das Leben weiter wie zuvor.

Die größten Gewinner werden in diesem Fall die SETI- und Astrobiologieforscher sein, weil sie endlich einige Daten haben werden, mit denen sie arbeiten können! Menschen werden in relativer Sicherheit etwas über außerirdisches Leben und außerirdische Intelligenz lernen können.

Fall 3: Sie sind überall! Es stellt sich heraus, dass wir uns am Anfang die falschen 1 Prozent ausgesucht haben. Sobald man einmal den Trick heraus hat, ist das Finden von außerirdischen Zivilisationen leicht. Beunruhigend leicht. Es gibt eine Menge davon in der Milchstraße, und einige dieser Zivilisationen sind groß.

Wie bei Fall 1 könnte die Reaktion in eine von zwei Richtungen gehen. Entweder wird die Menschheit versuchen, sich zu verstecken, unsere Emissionen zu tarnen und zu dämpfen, strenge (und wahrscheinlich nicht durchsetzbare) Einschränkungen für Sendungen zu den Sternen verhängen und allgemein ihr Bestes tun, der Aufmerksamkeit von Wesen zu entgehen, die Sterne bewegen können.

Oder unsere unersättliche Neugier wird sich durchsetzen, und wir werden zuhören und lernen und schließlich versuchen, einen Kontakt herzustellen. Was auch immer geschieht, dies ist ein Wendepunkt in der menschlichen Geschichte. Es wird sich auf die Regierungspolitik auswirken, auf die Bildung, auf alles. Der Nachthimmel wird nie wieder so aussehen wie zuvor.

SETI und der Schutz des Planeten werden zu Prioritäten der nationalen Sicherheit werden. Radioteleskope werden sprießen wie Pilze, sowohl auf der Erde als auch auf der erdfernen Seite des Mondes. Ob wir uns nun verstecken oder versuchen, dem interstellaren Club beizutreten, es wird von höchster Wichtigkeit sein, etwas über außerirdische Zivilisationen zu lernen, ihre Ziele herauszufinden und besonders, wie nahe sie sind.

Fall 4: Sie sind hier! Die Spinner hatten Recht. Sie waren die ganze Zeit hier. Jemand findet eine Sonde auf dem Mond, oder auf dem Meeresgrund, oder auf einem erdnahen Asteroiden. Sie haben uns beobachtet, vielleicht seit Jahrzehnten, oder vielleicht seit Jahrtausenden.

Die Schlussfolgerung ist einfach: sie sind real, sie wissen, dass wir hier sind, und sie können uns erreichen. Erwartet wie im obigen Szenario einen massiven Drang, so viel wie möglich zu entdecken, diesmal ohne die Option des Versuchs, verborgen zu bleiben.

Ironischerweise wären die großen Verlierer in diesem letzteren Fall die UFO-Spinner. Denn nun werden Militärbehörden, Universitäten, Regierungen und internationale Organisationen das Konzept von Leben außerhalb der Erde sehr ernst nehmen. Es wird eine Menge Forschungen geben, die rigoros und systematisch durchgeführt werden. Keine unscharfen Fotos mehr, kein woo-woo mehr. Astrobiologie und SETI werden so ernsthaft, gut finanziert und nüchtern werden wie Nuklearenergie- oder Genforschung.

Was wird es sein? Ich wette auf Fall 2. Ich denke nicht, dass wir allein sind, aber ich denke, es ist viel schwerer, eine technologische Zivilisation zu schaffen und zu erhalten, als Astronomen denken. Unsere Sichtweisen sind verzerrt, weil wir auf einer Welt leben, wo es geschehen ist, daher sieht es natürlich praktisch unvermeidlich aus. Was auch immer sich als die Wahrheit herausstellt… wir werden sehen! Und ich hoffe, dass es eher früher sein wird als später.

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