Trantor: Stadt im Planetenformat

Von Rick Robinson. Original: Trantor: the Big Town, veröffentlicht am 15. Januar 2017 (Rocketpunk Manifesto).

Ein weniger bedeutender, aber dauerhafter Tropus in der Science Fiction ist die planetenweite Stadt. (Wofür der geekische – und griechische – Begriff Ökumenopolis ist, „Weltstadt“.) Derzeit – bis die Star-Wars-Prequels gnädig aus der Erinnerung der Allgemeinheit schwinden – werden die meisten Menschen diesen Tropus mit Coruscant assoziieren. Aber akzeptiert keinen Ersatz: in Wirklichkeit bedeutet er Trantor, die Hauptwelt des Galaktischen Imperiums in Asimovs Foundation-Trilogie.

(Nur fürs Protokoll: diese Diskussion liegt offensichtlich weiiit jenseits der Plausiblen Mittelfristigen Zukunft. Und ich versuche nicht spezifisch Asimovs Trantor zu rekonstruieren, sondern eine allgemeinere trantoreske Welt.)

Ich bringe diesen Tropus zu Sprache, weil eines meiner Interessen, das hier schon zuvor indirekt erwähnt wurde, der städtische Schnellverkehr ist. Und während TERTA – die Trantor Ecumenopolitan Rapid Transit Agency – nie irgendeine Erwähnung in den Büchern erhielt, sollte sie vernünftigerweise… eindrucksvoll sein.

Ein paar Worte – naja, etliche Worte – über die allgemeine Stadtlandschaft, angefangen mit der Bevölkerung, als nützlicher Hintergrund für eine Fahrt mit Verkehrsmitteln. Der Gute Doktor A. hat sich in dieser Hinsicht schlimm vertan. Seine kanonische Zahl für Trantor – 40 Milliarden – ist lachhaft niedrig, nur ein paarmal die gegenwärtige Weltbevölkerung. Wir wollen eine globale Stadt, keine Welt von stadtnahen Vier-Hektar-Ranchettes.

Donald Kingsbury macht das in seiner inoffiziellen „Foundation“-Fortsetzung „Psychohistorical Crisis“ viel besser. Seine Version von Trantor, Splendid Wisdom, ist Heimat einer schönen runden Billion Menschen. Über die gesamte Oberfläche eines erdähnlichen Planeten verteilt kommt selbst das auf eine bloß vorstädtische Durchschnittsdichte hin. Aber wenn wir den Ozean nass belassen und nur die Landoberfläche urbanisieren, bekommen wir ungefähr die Bevölkerungsdichte von San Francisco.

Das hört sich schon besser an. San Francisco, außerhalb des Financial District, fehlt der Look der Schluchten aus Glas und Stahl, aber Stadtlandschaften können bei einer gegebenen Dichte beträchtlich variieren. Das Zentrum von Paris hat anscheinend ungefähr dieselbe Bevölkerungsdichte wie Manhattan, aber ein ganz anderes städtisches Aussehen. Genauso könnte es bei einer bescheidenen städtischen Dichte dennoch eine eindrucksvolle Skyline geben.

Das Bild oben von Trantor (nominell Coruscant) deutet auf eine Art hin, das hinzukriegen. Der Großteil der Stadt scheint aus Gebäuden mit wenigen Stockwerken oder zumindest von ungefähr einheitlicher Höhe zu bestehen, aber mit monumentalen Bauten, die zwecks zusätzlichen „Peps“ über dem Rest aufragen.

Eine weitere Erwägung ist, dass eine Ökumenopolis sicherlich nicht wie ein gewöhnlicher bewohnbarer Planet sein, wo Menschen bloß den Überschuss eines autarken natürlichen Ökosystems abschöpfen. Sie wird etwas brauchen, das mehr wie das Lebenserhaltungssystem eines Raumschiffs ist, in angemessenem Giga-Maßstab.

Die Details liegen weit über meiner Qualifikation in Biologie, aber es könnte gut sein, dass sie ausgedehnte Untergeschosse von etwas bedingen werden, das im Wesentlichen ein Installationssystem ist. Die U-Bahnen könnten somit durch etwas verlaufen, das eher Kellergeschosse als echte Tunnels sind. Und die Ozeane könnten effektiv Abwasserbehandlungs- und Sauerstoffregenerationsteiche sein – nichts, worin man schwimmen wollte, was zumindest die Uferpromenaden vor einer unmöglichen Überfüllung bewahren würde.

Teile des Lebenserhaltungssystems könnten zur Oberfläche hinaufreichen oder sich darüber erheben, und es wäre gut möglich, dass manche der Megastrukturen die Entsprechung von auf dem Dach montierten Klimaanlagen sind.

Auch bräuchte die Bevölkerungsdichte nicht überall in der Stadt einheitlich zu sein. Falls euch das Stadtleben wirklich nicht gefällt, ist Trantor nicht der Planet für euch. Aber viele Stadtteile (mit insgehsamt Millionen km² und ein paar hundert Milliarden Menschen) könnten gut möglich eine vorstädtische Dichte haben, die durch Stadtbezirke mit Hochhäusern ausgeglichen wird, wodurch man sowohl Menschen entgegenkommt, die einen Vorgarten wollen, als auch jenen, die es vorziehen, in der Nähe guter Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants zu leben.

Kingsbury erwähnt einen solchen Handelsdistrikt auf Splendid Wisdom, der von geeignet trantorianischem Ausmaß ist. Ich habe seinen Namen vergessen, aber nachdem Splendid Wisdom ein wiederaufgebautes Trantor des Zweiten Imperiums ist, nenne ich in Seldon Street. Obwohl technisch ein Einkaufszentrum für Fußgänger, ist es funktional eine Version des Market Square oder des Wilshire Boulevard in geeignetem Giga-Maßstab, die sich über etwa 3000 km erstreckt.

Nachdem das ein langer, langer Einkaufsbummel wäre, könnt ihr erwarten, dass einige ernsthafte Verkehrslinien entlang des Seldon Street Corridor verlaufen.

Aber bevor wir damit fahren, ein paar weitere Gedanken über die Stadtlandschaft. Zuerst ein paar lästige praktische Punkte. Realismus [TM] ist bei dieser Übung nicht wirklich ein Schlüsselthema, aber wir sollten ihn oberflächlich honorieren.

Wie ernährt man eine Billion Menschen auf einer Welt ohne Agrarland? Asimovs Trantor importiert seine Lebensmittel von 20 Agrarwelten, aber sie könnten nur dieses Trantor mit Köstlichkeiten versorgen. Für die Grundversorgung mit Lebensmitteln braucht man eine planetenweite Anordnung oszillierender Hände: irgendwas irgendwas mit Hydroponik, irgendwas irgendwas mit Algen.

Und natürlich sollte all das in Wirklichkeit an der Oberfläche sein, mit dem Stadtleben darunter, aber wir wollen einen Planeten, der urban aussieht. Wir werden vorsichtig annehmen, dass Technologie, die ursprünglich für Weltraumhabitate und dergleichen entwickelt wurde, die Lebensmittelversorgung zusammen mit den restlichen Herausforderungen der Lebenserhaltung lösen wird.

Es stellt sich heraus, dass die Energieversorgung weniger Handwaving braucht als die Lebensmittelversorgung. Ein erdähnlicher Planet absorbiert etwas in der Größenordnung von 1017 Watt an Insolation (Instellation?) von seinem Heimatstern. Der gegenwärtige amerikanische Energieverbrauch beträgt etwa 10 kW/Kopf, was sich auf 1016 Watt für eine Billion Menschen hochskaliert. Bedeckt also die Dächer mit Solarpaneelen, und ihr kommt mehr oder weniger hin. Die Abwärmeabgabe ist kein Problem, weil man bloß Energie nutzt, die der Planet sowieso absorbieren würde.

Und der Energieverbrauch auf Trantor kann relativ bescheiden sein. Es ist keine Industriewelt: als die imperiale Hauptwelt ist ihr Hauptprodukt Regierungstätigkeit. Große Städte tendieren auch dazu, energieeffizient zu sein – nicht zuletzt, weil die Leute mit der U-Bahn fahren statt mit Autos.

Nach diesen materiellen Belangen können wir uns sozialen Erwägungen zuwenden. Eine Ökumenopolis muss eine beträchtliche allgemeine soziale Stabilität haben, um überhaupt zu funktionieren, aber Trantor hat vermutlich seine guten und nicht so guten Stadtteile, vielleicht einschließlich Slums, die die Cops nur in der Stärke von Armeekorps betreten.

Oder – ein weiterer vertrauter städtischer SF-Tropus – die Schichtung nach Klassen könnte eine buchstäbliche sein, wo die Heruntergekommenen unterhalb der Untergeschosse mit den Installationen leben, während die oberen Klassen auf den oberen Stockwerken leben, die Reichsten in Penthäusern. Das bietet sich für einen Verkehrs-Subtropus an, der bis 1890 zurückreicht: triste U-Bahnen für die Armen, elegante Hochbahnen für die Reichen.

Beachtet, dass der oben in dem Bild gezeigte Bezirk nur durch U-Bahnen bedient werden muss: es gibt keine Hinweise auf erhöhte Verkehrswege.

Bei einer Welt von einer Billion Menschen braucht nichts davon ein Entweder/Oder zu sein: Innerhalb sehr breiter Grenzen könnte Trantors Stadtlandschaft und Gesellschaftsleben so abwechslungsreich sein – einschließlich des charmant Urbanen und des Dystopischen -, wie ihr sie haben wollt.

Isaac Asimov hatte bekanntlich Agoraphobie, und seine Trantorianer begaben sich selten zur offenen Oberfläche hinauf. Abhängig davon, wie das Lebenserhaltungssystem funktioniert, könnte „selten“ auch niemals sein, zumindest nicht ohne einen Quasi-Raumanzug.

Aber auch das ist keine gegebene Tatsache. Eine Ökumenopolis, oder Stadtteile davon, könnten Dachgärten und Speiseterrassen unten den Solardächern haben, und sogar (Schock!) Straßen unter freiem Himmel statt überbauter Korridore. Wenn ich vom Seldon Street Corridor spreche, sage ich nichts über seine Architektur, nur dass er ein langgestreckter Stadtbezirk ist.

Auf Trantor könnte es sogar Parks geben, obwohl der einzige offene Raum auf Asimovs Version die Gründe des Imperialen Palasts waren. Aber wir sind nicht von so weit hergekommen, um einen Park zu besuchen. So etwas kann man auf jeder Gartenkoloniewelt finden. In unserer nächsten aufregenden Episode werden wir uns also zur Seldon Street aufmachen.

Und nachdem sie schon zum Großteil geschrieben ist, werdet ihr nicht bis zur Galaktischen Ära warten müssen, um sie zu lesen.

Das Bild von der Stadtlandschaft stammt von einer Blogrezension von Second Foundation. Leider weiß ich nicht, welcher Künstler es geschaffen hat.

Im Originalstrang gibt es bisher 66 Kommentare, beginnend mit diesem von Elladan.

*       *       *

Der von Rick Robinson angekündigte Anschlussartikel ist Rapid Transit on Trantor. Zum Thema Foundation-Trilogie habe ich von ihm auch noch diese beiden Artikel im Angebot:

Umleitung des Flusses der Zeit: „Foundation“ und „Psychohistorical Crisis“

Geschichte: Vergangen, zukünftig und fake III

sowie Gedanken zu „Megahistorie“, Kliodynamik und Psychohistorik in Wissenschaft und Science Fiction von Bret Devereaux.

2 Kommentare zu „Trantor: Stadt im Planetenformat“

  1. Ergänzend dazu das 16:32 min. lange Video „Why build higher?“ von Real Engineering:

    …und „Burj Khalifa – Wie baut man höher?“ (7:37), auch von Real Engineering:

    Und hier ist ein interessantes Video von Ashton, einer amerikanischen Universitätsdozentin und Architekturhistorikerin, die mit ihrem Mann Jonathan nach Freiburg im Breisgau übersiedelt ist (die beiden haben Vorfahren aus Ostfriesland) und gemeinsam mit ihm einen YouTube-Kanal gegründet hat, der zunächst „The Black Forest Family“ hieß und vor Kurzem in Type Ashton umbenannt wurde:

    „Germany’s BIG DUMB BOXES ARE AWESOME“ (19:45 min.)

    Darin geht es um effiziente städtische Architektur, wobei Ashton argumentiert, dass ungefähr sechs Stockwerke der ideale Kompromiss zwischen Bauaufwand, Grundflächennutzung und interner Zugänglichkeit sind und dass eine Stadt auch ohne viele hohe Gebäude eine dichte, transitorientierte Bebauung haben kann. Als sie erwähnte, dass Paris, das zum Großteil aus vier- bis fünfstöckigen Häusern besteht, eine höhere Dichte als New York City hat, wurde ich dadurch an Rick Robinsons Trantor-Diskussion erinnert und habe gedacht, dass das Video gut hierherpasst.

    Seht euch Ashtons Kanal an; ihre Videos über Unterschiede zwischen den USA und Deutschland/Europa sind sehr interessant, gut und ausgewogen recherchiert und auch sehr ansprechend präsentiert. Hier ein paar Beispiele zum Appetitmachen:

    „The European Freedom that’s Illegal in the USA“:

    „The Consequences of Gated Communities | Look Inside the Exclusive Enclaves in the USA vs. Europe“:

    „MONEY IN POLITICS | The SHOCKING Differences in Elections Across the Globe“:

    „Why are SO MANY Americans Retiring in Europe Right Now?“:

    „Europe’s Secret to Saving American Labor Unions“:

    „Would Universal Healthcare Really Work in the U.S.?“:

    „USA vs Europe: The DEADLY DIFFERENCE of Prescription Drug Pricing | 2023 Comparison“:

    „Burned Out & Exploited: Why Americans Are Moving to Germany for Work“:

    „How I see the US after living in Europe for 5 Years“:

    „ARE YOU (actually) MIDDLE CLASS? | Income, Lifestyle & Net Worth USA vs. Germany“:

    „Sorry USA, Europeans have better food and here’s why.“

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  2. Wieder ein neues interessantes Video von Ashton zum Thema Städte- und Verkehrsplanung, „Why the U.S. Hates Roundabouts (…kind of)“:

    Ian „IWrocker“ hat vor einem Jahr auch schon ein Video dazu gebracht, „American Reacts to WHY the USA Hates Roundabouts“:

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