Es gibt kein Fermi-Paradox

Von James Cambias. Original: There Is No Fermi Paradox, veröffentlicht am 21. Januar 2024 (Just the Caffeine Talking).

Das berühmte Fermi-Paradox ist eines der zentralen Anliegen der Suche nach außerirdischen Intelligenzen (SETI). Nur als schnelle Zusammenfassung: wir wissen von keinem guten Grund, warum technologische Zivilisationen nicht auf anderen Welten in unserer Galaxis entstehen können, aber wir sehen keine Anzeichen von irgendeiner. Paradox!

Wo sind sie alle?“ fragte Enrico Fermi traurig

Aber es ist kein Paradox. Wir sehen keine Anzeichen für außerirdische Zivilisationen, weil wir noch kaum Ausschau danach gehalten haben.

Die Milchstraße enthält 100 bis 400 Milliarden Sterne (und die Tatsache, dass die mögliche Bandbreite so groß ist, sollte vielsagend sein – es gibt eine Menge Dinge, die wir nicht wissen). Wie viele dieser Sterne haben wir nach Anzeichen für fortgeschrittene Zivilisationen abgesucht?

Nicht viele. Um eine Zivilisation wie unsere eigene auszumachen, könnte man nicht einfach einen Blick mit einem Radioteleskop auf unser Sonnensystem werfen und sofort irgendeine alte Sitcom-Sendung auffangen. So funktioniert das nicht. Man müsste über einen langen Zeitraum beobachten – Monate oder Jahre. Man müsste die schwachen Radioemissionen auffangen und sie mit dem Orbit der Erde um die Sonne und die eigene Rotation der Erde in Verbindung bringen.

Laut Jill Tarters Index auf technosearch.seti.org deckte die bisher größte Suche 290.000 Ziele ab. Die SERENDIP-Durchmusterung betrachtete 30 Prozent des Himmels, aber das waren alles Beobachtungen, die sich auf Beobachtungssitzungen anderer Astronomen stützten, daher untersuchten sehr wenige davon dasselbe Ziel wiederholt oder über einen langen Zeitraum. Das Projekt Breakthrough Listen zielt darauf ab, im Lauf des nächsten Jahrzehnts 1 Million Objekte zu studieren.

Das wäre… ein Prozent der Galaxis. Vielleicht weniger. Bei diesem Tempo würde es Jahrtausende dauern, die Aufgabe zu vollenden.

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Große Filter (9): Dies und das

Von James Cambias. Original: Great Filters, Part 9: Odds and Ends, veröffentlicht am 8. Oktober 2020 (Just the Caffeine Talking).

Nun, ich denke, ich bin an das Ende meiner Serie über die Großen Filter und das Fermi-Paradoxon gelangt. Es gibt ein paar Sachen, die in keinen der früheren Beiträge ganz hineinpassten. Hier sind sie also, in mehr oder weniger willkürlicher Reihenfolge.

Haben wir gesucht?

Als erstes gibt es das, was Michael Hart „Fact A“ nannte – wir beobachten keine außerirdischen Zivilisationen. Aber die wirkliche Tatsache ist, dass wir sie nicht wahrgenommen haben, nicht, dass sie nicht existieren.

Die schockierende Wahrheit ist, dass wir nicht wirklich sehr angestrengt gesucht haben. Während der ersten fünfzig Jahre von SETI waren Suchen nach außerirdischen Signalen kleine Freizeitunternehmungen, mit hin und wieder ein paar Stunden Instrumentenzeit, gerichtet auf eine Handvoll von Sternen. In jüngerer Zeit haben Spenden von launischen Techno-Milliardären und dann ein dünnes Rieseln von Regierungsmitteln es endlich möglich gemacht, zweckbestimmte Radioteleskope aufzustellen, die den Himmel absuchen.

Aber selbst dem mächtigen Projekt Breakthrough Listen ist es erst gelungen, etwa 700 Sterne nach Signalen von Radiosendungen abzusuchen, die mit modernen Radarsystemen vergleichbar sind. Das ist die größte jemals unternommene SETI-Durchmusterung, und sie repräsentiert ein Jahrzehnt Arbeit. Sie repräsentiert ein Viertel eines Milliardstels der Sterne in der Milchstraße. Noch etwa eine Milliarde Jahre, und sie werden fertig sein!

Wir wissen nicht, ob es irgendwelche anderen Zivilisationen in der Milchstraße gibt. Wir können nicht einmal wirklich sicher sein, dass keine außerirdischen Sonden an den Lagrange-Punkten der Erde oder auf der Oberfläche eines erdnahen Asteroiden geparkt sind und uns ruhig beobachten.

Die tatsächlichen bekannten Fakten sind in Wirklichkeit wie folgt:

1: Wir sind uns einigermaßen sicher, dass es keine gigantischen Rundstrahlsender gibt, die den gesamten Energieausstoß eines Sterns für Sendungen nutzen. Zumindest nicht auf dieser Seite der Galaxis.

2: Wir sind sicher, dass es keine Zivilisationen innerhalb von ein paar hundert Lichtjahren gibt, die mittels Antennen von der Größe des Arecibo-Radioteleskops Botschaften direkt in unsere Richtung strahlen.

3: Wir wissen, dass die Erde nicht vor Äonen von einer außerirdischen Zivilisation kolonisiert wurde (Oder doch? Siehe weiter unten!) und auch nicht durch Von-Neumann-Maschinen zerlegt wurde.

Davon abgesehen wissen wir nichts!

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Große Filter (8): Weltraumfilter

Von James Cambias. Original: Great Filters, Part 8: Space Filters, veröffentlicht am 1. Oktober 2020 (Just the Caffeine Talking).

Wow, ich mache das schon seit zwei Monaten und bin immer noch nicht fertig. Jetzt weiß ich, wie Proust sich gefühlt haben muss. Vorausgesetzt natürlich, dass Proust Blogbeiträge über das Fermi-Paradoxon geschrieben hat. Bisher habe ich all die Großen Filter betrachtet, die in unserer Vergangenheit liegen – Barrieren für die Evolution von Leben, Barrieren für Intelligenz und Technologie, und potenzielle zivilisationsbeendende Katastrophen. Diese reduzieren sicherlich die Zahl der möglichen fortgeschrittenen Zivilisationen in der Milchstraße, aber nur bis zu einem gewissen Punkt.

Momentan stehen wir bei einer Schätzung von etwa fünfzig Zivilisationen da draußen zwischen den Sternen, von denen vielleicht zwei Drittel den Reichtum und die Fähigkeit haben, Radioteleskope oder interstellare Sonden zu bauen. Sagen wir dreißig. Das ist eine ungelegen kommende Zahl, denn es gibt eine sehr starke Chance, dass viele davon tausende, wenn nicht Millionen Jahre älter und fortschrittlicher wären als wir, was ihre Aktivitäten selbst über interstellare Entfernungen leicht zu sehen machen sollte. Doch bisher sehen wir nichts.

Heute würde ich gern drei mögliche Große Filter betrachten, die erklären könnten, warum diese Zivilisationen – angenommen, sie existieren – nichts tun, das wir entdecken können. Dies sind also die Weltraumfilter.

Der erste ist der einfachste und wahrscheinlichste. Raumfahrt, besonders interstellare Raumfahrt, ist einfach wirklich schwer. Wir sind vielleicht in der Lage, mikrochipgroße Sonden zu nahen Sternen zu schicken, aber keine Kolonisten, keine Fahnenaufsteller. Und angesichts dessen, dass es wahrscheinlich zig Lichtjahre bis zur nächsten Welt mit auch nur einfachem mikrobischem Leben sind, ist der Aufwand vielleicht zu groß.

Wir wissen, dass Gefahren im interstellaren Raum warten: in den vergangenen zwei Jahren haben wir zwei Kometen entdeckt, die von außerhalb des Sonnensystems stammten. Nachdem sie vermutlich nicht erst zu erscheinen begannen, kurz nachdem Menschen Möglichkeiten für ihre Entdeckung erfanden, deutet das darauf hin, dass interstellare Wanderer recht häufig sind, und dass der Weltraum zwischen den Sternen von Felsen und Untiefen übersät sein könnte.

Dies wäre sicherlich ein Dämpfer für schnelle interstellare Reisen. Ein Zusammenstoß mit einem ausgewachsenen Kometenkern bei einem großen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit würde das Sternenschiff nicht bloß beschädigen, sondern es buchstäblich verdampfen. Selbst kleine Steine und Kiesel und Staubkörner – die statistisch zweifellos viel häufiger sind als sichtbare Objekte wie Oumuamua – wären katastrophale Hindernisse für Sternenreisende.

Also langsam fliegen. Eines, was Oumuamua demonstrierte, ist, dass es völlig möglich ist, zwischen den Sternen zu reisen, solange es einem nichts ausmacht, zehntausende oder hunderttausende Jahre damit zu verbringen. Aber ist es wirklich möglich, dass irgendeine Zivilisation ein autarkes Schiff erschafft, das so lange funktionieren kann? Oder dass irgendeine Zivilisation eine Expedition ausschicken will, die erst nach tausend Jahrhunderten Bericht erstatten wird?

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Große Filter (1): Einführung

Von James Cambias. Original: Great Filters, Part 1, veröffentlicht am 12. August 2020 (Just the Caffeine Talking).

Vor zwei Wochen nahm ich während der ersten CYBER WorldCon der Welt an einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „COVID-19: A Great Filter?“ teil. Die Podiumsgäste waren ich selbst, der Schriftsteller und Coronavirus-Experte Vylar Kaftan und der Astrophysiker Valentin Ivanov. Unser Thema war das Konzept des „Großen Filters“, und ob eine Seuche wie der gegenwärtige Coronavirus-Ausbruch sich dafür qualifizieren könnte.

Je mehr ich über Große Filter nachdachte, desto mehr erkannte ich, das es keine Möglichkeit gab, das Thema in einer 50minütigen Zoom-Podiumsdiskussion unterzubringen, oder auch in einem einzigen Blogbeitrag. Daher werde ich eine Serie von Beiträgen über potenzielle Große Filter schreiben und mich durch verschiedene Arten davon arbeiten und untersuchen, was wir wissen und wie plausibel sie sind.

Aber zuerst: was zum Geier ist ein Großer Filter?

Der Begriff stammt aus einem Essay des Ökonomen und Futuristen Robin Hanson, den ihr hier lesen könnt. Zusammengefasst: wir wissen, dass eine technologische Zivilisation, die zur Kommunikation über interstellare Entfernungen fähig ist, möglich ist, weil wir existieren und es selbst tun könnten. Aber wenn das der Fall ist, wie Enrico Fermi berühmterweise fragte: „Wo sind sie alle?“

Die Wissenschaft mag keine einzigartigen Phänomene. Es sollte entweder mehrere technologische Zivilisationen geben, oder keine. Wir wissen, dass es nicht unmöglich ist, weil wir existieren, also… wo sind sie alle?

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Das Fermi-Paradoxon, und warum es eine Rolle spielt

Von James Cambias. Original: The Fermi Paradox and Why It Matters, veröffentlicht am 11. Oktober 2016 (Just the Caffeine Talking).

Als Science-Fiction-Autor habe ich etwas, das man ein berufliches Interesse an Außerirdischen nennen könnte. Ich lese jeden populärwissenschaftlichen oder technischen Artikel über das Entdecken außerirdischer Zivilisationen oder die Kommunikation mit ihnen, auf den ich aufmerksam werde- Aber ich bin immer ein wenig überrascht darüber, wie viele Menschen nicht an dem Thema interessiert sind. Für mich erscheint es unbegreiflich: wie kann man nicht über die Möglichkeit von Leben und Intelligenz anderswo im Universum nachdenken?

Man kann über Geschmack nicht streiten. Aber man kann über Prioritäten debattieren, denn ich glaube zufällig auch, dass das Studium des Themas außerirdischer Intelligenz von enormer Wichtigkeit für das Überleben der Menschheit hier auf der Erde sein könnte.

Zuerst etwas Hintergrund: das „Fermi-Paradoxon“ ist der Begriff, den wir als Bezeichnung für das rätselhafte Fehlen jeglichen Anzeichens für außerirdische Intelligenz verwenden. Es ist nach dem Physiker Enrico Fermi benannt und stammt anscheinend aus einer Diskussion, die er in Los Angeles während des Zweiten Weltkriegs beim Essen mit einigen Kollegen hatte. Sie hatten über die Möglichkeit von Leben auf anderen Welten und von interstellaren Reisen geredet, und als sie dann nach dem Essen auf dem Weg zurück zur Arbeit waren, platzte Fermi mit der Frage heraus: „Wo sind sie?“

Natürlich war die Antwort in den 1940ern eigentlich ziemlich offensichtlich und tröstlich: sie sind zu weit entfernt, um uns zu besuchen. Wesen auf dem Mars oder auf anderen Planeten unseres Sonnensystems mochten in der Lage sein, Raumschiffe zu bauen, um die Erde zu erreichen, aber selbst damals war es ziemlich offensichtlich, dass keiner dieser Planeten viel Leben hatte, ganz zu schweigen von Intelligenz. Was Zivilisationen auf Planeten um andere Sterne anging, so waren (und sind) die Entfernungen entmutigend riesig. Und zu dieser Zeit musste die Frage, ob Raumfahrt überhaupt möglich war, erst noch beantwortet werden.

In dem Jahrzehnt nach dem Krieg begannen Radioteleskope den Himmel abzusuchen und fingen die Emissionen ferner Sterne, von Nebelwolken, aktiven Galaxien und sogar die Echos des Urknalls auf. Aber das eine, das sie nicht auffingen, waren Signale von fremden Zivilisationen. (Zumindest nichts, das irgendjemand im vergangenen halben Jahrhundert als Signal erkannt hat.) 1959 veröffentlichten Philip Morrison und Giuseppe Cocconi einen Artikel, der die Möglichkeit des Auffangens von interstellaren Radiosignalen diskutierte und etwas theoretische Arbeit darüber leistete, wie das am besten bewerkstelligen könnte.

Fermis Paradoxon kam machtvoll zurück. Selbst falls interstellares Reisen für immer unmöglich bliebe, sollte es nicht allzu schwer sein, Botschaften zu anderen Sternen zu senden. Warum hat noch niemand ein großes Hallo an die Galaxis gesendet? Wo sind sie?

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Was ist die „Dark Forest“-Hypothese?

Von Matt Williams. Original: Beyond „Fermi’s Paradox“ XVI: What is the „Dark Forest“ Hypothesis?, veröffentlicht am 7. Januar 2021 (Universe Today). (Unten: Der Kosmos könnte von Leben wimmeln – das sich zu sehr fürchtet, um zu kommunizieren. Bild: NASA)

Im Jahr 1950 setzte der italo-amerikanische Physiker Enrico Fermi sich mit einigen seiner Kollegen am Los Alamos National Laboratory, wo er fünf Jahre davor am Manhattan Project mitgearbeitet hatte, zum Essen. Verschiedenen Darstellungen zufolge wandte die Konversation sich Außerirdischen und der jüngsten Flut von UFOs zu. Dabei machte Fermi eine Aussage, die in die Annalen der Geschichte eingehen sollte: „Wo sind sie alle?“

Dies wurde zur Grundlage des Fermi Paradox, das sich auf die Ungleichheit zwischen hohen Wahrscheinlichkeitsschätzungen für die Existenz von extraterrestrischen Intelligenzen (ETI) und dem anscheinenden Fehlen von Anzeichen dafür bezieht. Seit Fermis Zeit hat es mehrere vorgeschlagene Lösungen für seine Frage gegeben, wozu die „Dark Forest“-Hypothese gehört, derzufolge außerirdische Zivilisationen bewusst den Kontakt vermeiden.

Für die meisten von uns sind der Sternenhimmel und die Himmelskörper, die die Planeten unseres Sonnensystems sind, ehrfurchtgebietend, und sie verschaffen uns ein Gefühl des Friedens. Die Vorstellung, dass es da draußen in benachbarten Sternsystemen ähnliche Welten gibt, wo andere Lebensformen den Himmel betrachten und ähnliche Gefühle erleben, ist besonders ehrfurchtgebietend! Aber was, wenn das bloß eine Menge naiver Romantik ist, und das Universum in Wirklichkeit ein dunkler und gefährlicher Ort ist?

„Hier draußen ist es nicht sicher”

Fans von Star Trek: TNG werden sofort den Namen Q wiedererkennen, ein Mitglied einer allmächtigen Spezies gleichen Namens. Normalerweise war er ein grausamer Schelm. Aber von Zeit zu Zeit war sein tough-love-Ansatz tatsächlich lehrreich. Insbesondere in einer Episode (S2E16, „Q Who?”, deutsch Zeitsprung mit Q) fasste er zusammen, was erforderlich ist, um „kühn dorthin zu gehen, wo noch nie zuvor jemand gewesen ist“:

Wenn ihr keine kleine blutige Nase hinnehmen könnt, dann solltet ihr vielleicht nach Hause gehen und unter euer Bett kriechen. Hier draußen ist es nicht sicher. Es ist wundersam, mit Schätzen, um sowohl feinsinnige als auch unappetitliche Gelüste zu sättigen. Aber es ist nichts für Ängstliche.“

Weit davon entfernt, bloß gut geschrieben zu sein, widerspiegeln diese Worte eine populäre Einstellung, die wir Menschen zum Unbekannten haben. Das Unbekannte fasziniert und ängstigt uns. Jenseits der Grenzen des Bekannten werden oft Worte wie „hic sunt dracones“ („Hier gibt es Drachen“) verwendet. Sicher, dieser Begriff behauptete nicht, dass wirkliche Drachen (oder andere mythologische Kreaturen, die verwendet wurden) bestimmte Teile der Welt bewohnten.

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