„Fustest With the Mostest“: Logistik, Weltraumkrieg und Raumpiraten

Von Rick Robinson. Original: Fustest With the Mostest, veröffentlicht am 31. Mai 2007 (Rocketpunk Manifesto).

Wenn man Wikipedia trauen kann, dann hat der US-Bürgerkriegsgeneral Nathan Bedford Forrest das anscheinend niemals wirklich gesagt (und hatte auch nie etwas mit dem Ku Klux Klan zu tun). Er sagte aber doch „git thar fust with the most men“ [„als Erster mit den meisten Männern dort hinkommen“], was dem nahe genug kommt.

Ich bringe das zur Sprache wegen Dougs Kommentar zu einem früheren Beitrag, dass die Lanchester–Gleichungen so abstrakt sind, dass sie bloß das Offensichtliche sagen – wenn man einen Kampf hat, dann ist es gut, mehr Kerle zu haben. Das sind die Chancen. Taktik ist, wie man es entgegen schlechter Chancen schafft. Doch eines jener standardmäßigen militärischen Sprichwörter, die immer wieder geäußert werden, ist, dass Amateure Taktik studieren und Profis Logistik. Das Kennzeichen eines großen Generals ist nicht so sehr, schlechten Chancen zu trotzen als vielmehr die Würfel zu manipulieren.

In seinem nächsten Kommentar lässt Doug jedoch die Katze aus dem Sack – indem er bekennt, dass das wirkliche Problem mit der Lanchester’schen Logik des Tiefraumkampfes ist, dass sie coole Sachen wie Raumpiraten ausschließt. (Off-topic? Nicht im Geringsten! In diesem Blog geht es im Grunde um Romance, und dazu gehören ganz bestimmt Pirates in SPAAACE!)

Logistik. Allein schon das Wort, wie „Ökonomie“, killt die Romance und bestattet sie in einem seichten Grab. Sie hat einen gewissen Geek-Appeal für mich – wenn man eine imaginäre Straßenbahnlinie erfindet, muss man wissen, wie viele Straßenbahnwagen sie betreibt und wie viele Fünf-Cent-Münzen jeden Tag in den Fahrscheinautomaten klappern werden. (Damals im Elektrischen Zeitalter, als eine Straßenbahnfahrt fünf Cents kostete!). Logistik und Ökonomie sind beide wegen desselben Prinzips entscheidend für realistisches Worldbuilding, wenn man eine realistische Atmosphäre will: Wenn man ein Pirat ist, der Galeonen/Starliner auf ihrer jährlichen Reise ins Schlaraffenland überfällt, dann muss man wissen, wie viele Galeonen es zu überfallen gibt.

Dies befindet sich jedoch alles im Hintergrund. Der Leser erwartet nicht, eine Aufstellung der Importe und Exporte des Schlaraffenlandes zu sehen – nur ein paar der erlesensten Beispiele, wenn die schurkischen Helden eine Kiste aufbrechen oder einen Frachtbehälter öffnen. Noch weniger erwarten wir die logistischen Fundamente der Kriegführung zu sehen. Wir hören nur von den Seabees, wenn jemand sie angreift und sie zurückschießen müssen.

Und doch gehört zur Logistik die zeitliche Dimension – the fustest genauso wie the mostest – und hier treffen Romance und Logistik aufeinander. Jedes Mal, wenn die Wimpel der Kavallerie in dem Moment über der Kuppe des Passes erscheinen, wo das Fort kurz davor steht zu fallen, bedeutet das, dass jemand dafür gesorgt hat, dass sie aufsitzen und nach Sonnenaufgang unterwegs sind. Jener Trompetenstoß, den ihr hört, ist der Triumph der Logistik.

Kommentare zum Originalartikel:

Anita:

In seiner Geschichte des Ersten Weltkriegs merkt John Keegan an, dass der brillante Schlieffenplan, den der kaiserliche Generalstab ausgearbeitet und wie eine Schweizer Uhr feinabgestimmt hatte, wegen einer übersehenen Tatsache scheiterte: Es dauert Zeit, tausende Männer, Tiere und all die notwendige Ausrüstung auf Züge zu verladen.

Diese Verzögerung vermasselte das sehr präzise Timing, das für den Erfolg des Plans notwendig war. Resultierte sie in Deutschlands letztendlicher Niederlage? Vielleicht nicht, aber sie führte zweifellos zu dem Schrecken der Gräben.

Gute Logistik wird nicht zwangsläufig Kriege gewinnen; schlechte Logistik wird wahrscheinlich dafür sorgen, dass euch euer Kopf überreicht wird.

Doug:

Hinsichtlich Piraten und Gesetzlosen ist nicht Lanchester das Problem, sondern Jeremy Bentham:

https://de.wikipedia.org/wiki/Panopticon

https://de.wikipedia.org/wiki/Panopticon

Seine Idee des Panopticon ist das perfekte Gefängnis, wo die Insassen wissen, dass absolute Überwachung möglich ist, aber nicht wissen, wann sie überwacht werden. Als Folge davon beginnen die Häftlinge einander zu beobachten, und tatsächliche Wachen werden fast überflüssig. Wir überwachen einander.

Der Weltraum ist eine annähernd panoptische Umwelt; ich sage annähernd, weil es Grenzen für die Art von Information gibt, die man sammeln kann, und von wo man sie sammeln kann. Bei einem Treffen auf einer Raumstation sind Kameras und Mikrofone im unmittelbaren Bereich für jegliche Überwachung notwendig, während die Triebwerkssignatur eines Schiffes von buchstäblich überall beobachtet werden kann.

Aber innerhalb dieses Rahmens wird jeder Langzeit-Raumfahrer sein Leben in einer Welt verbracht haben, wo er für den Großteil seines Lebens unter der einen oder anderen Art von Sensor gewesen ist. Ob es die internen Kameras eines Schiffes oder einer Raumstation sind oder die Sensoren von wem auch immer, der zusieht, wenn sein Schiff quer durch das Sonnensystem fliegt oder eine Außenbordaktivität durchführt, er weiß, dass jeder Moment seines Lebens von jemandem beobachtet werden könnte oder auch nicht. Ja, es ist möglich, die Kameras in einer Raumstation zu zerstören und potenziell einen Bereich wie die Unterste Ebene in Babylon 5 zu schaffen, einen Ort außerhalb der Struktur aus Disziplin und Überwachung, aber das zu tun ist gegen die normale Lebensart eines Raumfahrers. Das Habitat zu beschädigen, in dem man sich befindet, ist ein Verhalten, das nicht wohlwollend betrachtet wird.

Johannes Calvins Genf könnte ein besseres Beispiel für das Leben in einem Habitat sein als jede Wildweststadt. Der Glaube, dass man zu jeder Zeit beobachtet werden könnte, tendiert dazu, die soziale Konformität zu bestärken; wie wir uns kleiden, wie wir sprechen und wie wir uns verhalten ist dem Blick unserer Mitbürger ausgesetzt.

Also nieder mit Raumpiraten und hoch mit Weltraumpuritanern. Ich wette, sie spotten über all diese korrupten Bodenschweine von der Erde. Jemand mit den Eigenheiten eines Erroll-Flynn-Charakters wäre ein Paria.

Übrigens war mein Kommentar über Gesetzlose und Piraten nicht von einem neueren Filmstart veranlasst. Du hattest Robin Hood in einem früheren Beitrag erwähnt, und ich dachte an Robin Hood und Science Fiction.

Die Sache mit der Logistik ist, dass sie wie die Taktik stark von den beteiligten Individuen beeinflusst werden kann. In der Schlacht im Teutoburger Wald 8 n. Chr. wurden drei römische Legionen von Germanen abgeschlachtet, die germanische Taktiken anwandten. Während die Germanen ihre eigene Taktik verwendeten, war ihr logistisches Modell von ihrem Befehlshaber Arminius von den Römern kopiert worden. Arminius hatte in römischen Diensten Hilfstruppen kommandiert, und er konnte dieses Wissen anwenden, um eine Streitmacht im Feld und mit Proviant versorgt zu halten. Aber wir begannen, indem wir über Determinismus sprachen, und Arminius‘ Abtrünnigkeit scheint eine persönliche Handlung gewesen zu sein, die dabei half, das Vordringen Roms zu stoppen. Die Person kann den Lauf der Wahrscheinlichkeit beeinflussen und dabei helfen, das Unwahrscheinliche geschehen zu lassen.

Rick:

Anita – Das habe ich nicht gewusst, und eine Ironie ist, dass das gerade die Art von Sache ist, für die der deutsche Generalstab berühmt war, dass er buchstäblich die Züge pünktlich fahren ließ.

Doug – Meine Güte, du machst da eine wirklich große Dose Würmer zu dem ganzen Thema Raumfahrer auf. Zumindest die amerikanische SF ist sehr stark von einem libertären Ethos durchdrungen, und nicht nur wegen Heinlein – im Wesentlichen machen wir den Weltraum zum Wilden Westen. Aber wie du sagst, hat das sehr wenig mit dem zu tun, was wir plausiblerweise vom Leben im Weltraum erwarten würden.

Ich bin sicher, dass ich darüber bloggen werde, aber zuerst muss ich darüber nachdenken…

Arminius hat einiges an der Geschichte verändert – sicherlich für Varus und jene Legionen – aber wären die Germanen andernfalls voll romanisiert worden wie die Gallier? Oder war der germanische Wald im Wesentlichen ein Ort, wo Rom nicht wirklich hinkonnte?

Vielleicht wird Gabriele kommen und dazu kommentieren, nachdem es sozusagen ihr Heimatrevier ist!

Cambias:

Dougs Kommentar von den Weltraumpuritanern ist interessant – nehmt nicht an, dass Puritaner keine Piraten sein können. Historisch unterhielt Boston seinen Anteil an „Privateers“. Die Kragen mögen nicht so mit Rüschen besetzt gewesen sein, aber die Kanonen funktionierten genauso.

In der von perfekter Information gekennzeichneten Umwelt des Weltraums können Piraten immer noch operieren – sie müssen bloß clever sein. Ihre Basis an „Engpässen“ mit geeignet chaotischer Politik haben, sodass sie Handelsschiffe abfangen können, wenn sie ihr Schubmanöver beendet haben und nicht ausweichen können.

Beispiel: für eine bald fertige Geschichte über Piraten, die Nutzlasten von lunarem Helium abfangen, habe ich die Räuber bei L-1 plaziert, nahe dem Bereich, wo die vom Mond gestarteten Nutzlasten ihren Fall zur Erde beginnen. Die Nutzlasten bewegen sich hier sehr langsam, sodass ein schnelles Schubmanöver von L-1 sie abfangen kann. Bis sie ihr Abfangschubmanöver starten, sind die Piraten friedliche „Satelliten für Mondressourcen“, ordnungsgemäß registriert und legal.

Bernita:

Hmm, Moon befasst sich mit Piraten, und Modesitt mit Logistik.

Doug (?):

Bernita – Ich habe Elizabeth Moon zu dem Thema gelesen, aber ihre Piratenbanden befinden sich in einem Universum mit Überlichtraumfahrt. Schiffe können von Piraten in einem unbewohnten System auf der Route überfallen werden oder in einem bewohnten. Wenn das System bewohnt ist, bringt der Rückzug mittels Überlichtflug sie aus der Sensorreichweite, und sie können dann einer weiteren Kontrolle entgehen. Sie können Güter zu einem Hafen bringen und vorgeben, ein ehrliches Handelsschiff zu sein, oder sie können die Güter auf ein anderes Schiff umladen, entweder auf einer Basis oder im Weltraum, was bedeutet, dass dem Handelsschiff jegliche erkennbare Merkmale des Schiffes fehlen werden, das den Überfall durchgeführt hat.

In einem System ohne Überlichtflug wird jeder Versuch, nahe genug an ein Schiff heranzukommen, um es zu entern, für jeden deutlich sichtbar sein, der zur richtigen Zeit in die richtige Richtung schaut. Selbst ohne einen Notruf, der von jedem im System gehört werden kann und sie dazu bringt, ihre Teleskope in die richtige Richtung zu drehen, wird früher oder später jemand das Piratenschiff während seines Piratenakts sehen. Sobald das passiert, kann das Schiff nachverfolgt werden, und irgendwann werden die Piraten einen Hafen oder eine Basis brauchen. Unter diesen Umständen wird jeder Hafen, der einem Schiff hilft, das als Pirat identifiziert worden ist, in nächster Zeit einen Besuch von einer Taskforce bekommen, nachdem das ein kriegerischer Akt wäre. Aller Wahrscheinlichkeit nach würden die Regionen, die Piraten beherbergen, keinem ausgewachsenen Krieg gegen die Regionen gewachsen sein, die sie berauben, nachdem der Beraubte vermutlich mehr Ressourcen hat als der Räuber.

Und das wäre das Problem, Cambias. Ohne Ungewissheit, wo die Täter des Verbrechens hingeflogen sind, wäre es ganz einfach, Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu stoppen. Ohne einen Horizont oder Inseln in der Nähe, um sich außer Sicht zu halten, würde jeder Piratenakt im vollen Blick des Sonnensystems stattfinden.

Das gilt auch für Rebellengruppen, die einzigen wirklichen Orte, in denen sie sich verstecken können, sind Habitate, andernfalls ist es einfach zu leicht, eine Rebellenbasis aufzuspüren. Wenn es eine Rebellion gibt, werden es weniger Raumschlachten sein und mehr Sabotage und Messerstechereien. Natürlich hat man interne Sensoren, um die man sich sorgen muss, aber die sind viel leichter kaputtzumachen als Teleskope auf der anderen Seite des Sonnensystems.

Cambias:

@ Doug: Ich habe das in meiner Geschichte berücksichtigt. Die Piraten sind völlig legal bis zu dem Moment, wo sie mit dem Piratenakt beginnen. Dann ist ihre Flaggregierung schockiert, schockiert zu entdecken, dass diese anscheinend ehrlichen Unternehmer in Wirklichkeit Piraten waren. Irgendein unglücklicher politischer Dissident wird wegen des Verbrechens verhaftet, und die Dinge laufen weiter. Die Geschichte handelt natürlich von der unvermeidlichen Reaktion.

Anonymous:

Bezüglich Piraterie im Weltraum: Völlig möglich. Sicher, die Behörden sehen/hören, wie es passiert, aber was sie sehen/hören, hat vor Minuten, Stunden, sogar Tagen stattgefunden. Bis sie die Pferde satteln, haben die bösen Jungs sich von dem Mädchen und dem Gold getrennt. Überlichtschnelle Schiffe mögen existieren, aber elektromagnetische Strahlung braucht dennoch ihre Zeit, um von einem Ort zum anderen zu gelangen. Ab einer gewissen Entfernung und darüber hinaus ist alle durch EM-Strahlung übermittelte Information überholt.

Ja, das Zielschiff könnte einen überlichtschnellen Kurier ausschicken, der um Hilfe bittet, aber wenn Onkel Albert Recht hat, und das scheint so zu sein, dann gibt es für das Bewegen selbst einer winzigen Masse mit Beinahe-Lichtgeschwindigkeit, ganz zu schweigen von ÜL, eine enorme Energierechnung. Überlichtschnelle Schiffe könnten ein Luxus sein, den man sich einmal pro Generation leistet.

Das ultimative Handwavium in der Science Fiction ist Kommunikation.

Canageek:

Das lässt mich an ein kleines Problem denken, das die Vereinigten Staaten haben.

Die USA würden gern Leute daran hindern, aus Mexiko einzudringen. Daher bauen sie einen sehr teuren Wall nach aktuellem Stand der Technik. Zäune, Kameras etc. Und doch lernen ständig Leute, welche Kameras gerade zu Wartungszwecken abgeschaltet sind, nicht beobachtet werden etc. Wenn die heutigen Vereinigten Staaten Leute nicht daran hindern können, durch die Wüste zu marschieren und über einen Zaun zu klettern, was sagt dann, dass die Regierung der Zukunft, selbst wenn die Technologie existiert, in der Lage sein wird, Piraten über das halbe Sonnensystem hinweg zu stoppen?

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