Der „universale Krieger“ (4): Der Kult des Badass

Von Bret Devereaux. Original: The Universal Warrior, Part III: The Cult of the Badass, veröffentlicht am 19. Februar 2021 (A Collection of Unmitigated Pedantry). Fortsetzung von (1): Soldaten, Krieger und…(2): Die vielen Gesichter der Schlacht und (3): Das Los eines Soldaten. Der Originalessay enthält keine Bilder, da dem Autor keine passenden einfielen, aber das von mir (dem Übersetzer) verwendete vom „Regiment Asow“ passt sehr gut zu dem, worum es hier geht.

Dies ist der dritte und letzte Teil (IIIaIIb) einer Diskussion der Vorstellung, dass es einen „universalen Krieger“ gibt – eine transzendente Gleichheit der Erfahrung des Krieges oder von „Kriegerwerten“, die irgendeine nützliche Blaupause für das Leben allgemein oder irgendeine Art von fundamentaler Wahrheit über die Erfahrung des Krieges liefern könnte.

Während der letzten drei Wochen haben wir uns die historischen Belege angesehen, um zu sehen, ob es irgendeinen Hinweis auf irgendeine universale Kriegserfahrung oder einen universalen Satz von Kriegerwerten gibt. Was wir stattdessen gefunden haben, ist, dass fast alles daran, wie Menschen Krieg führen, abgesehen davon, dass sie das tun, enorm von einer Kultur zur nächsten variiert, von einem Ort zum anderen, von einer Periode zur anderen. Kulturelle Erwartungen, soziale Werte, technologische Bedingungen, ganze Systeme der Kriegführung und auch einfache Umstände bestimmen die Erfahrung des Krieges und die Werte, die Kämpfer haben, auf extreme Weisen, die die Suche nach einem „universalen“ Satz von Kriegerwerten zu einem eindeutig zum Scheitern verurteilten Unterfangen machen.

Aber wie am Anfang dargelegt, war der „universale Krieger“ nicht bloß ein (zutiefst fehlerhaftes) Argument über die Struktur und die Erfahrungen der Vergangenheit, sondern auch der Grundstein einer ideologischen Blaupause dafür, wie man sein modernes Leben führen soll. Und daher ist es nun Zeit, dass wir uns von den (ziemlich schlechten) historischen Wurzeln dieser Idee ab und den (wie sich herausstellt, schlimmeren) ideologischen Implikationen der Idee zuwenden.

Noch einmal mit Gefühl

In einem gewissen Sinn waren die vorherigen drei Beiträge, während sie Spaß gemacht haben, in Wirklichkeit bloß eine sehr lange Präambel zu dem Argument, das ich hier vorbringe, daher möchte ich sowohl darlegen, warum ich mit einer dreiwöchigen Präambel begann, bevor ich zum Punkt kam („wie sonst würdet ihr wissen, dass ich das war?“) als auch die Schlussfolgerungen aus all dem zusammenführen, bevor wir weitermachen.

Warum also die Präambel? Weil ich sichergehen wollte, dass wir vor Beginn der Diskussion der zugrundeliegenden Ideologie, die hinter den Behauptungen der Universalität irgendeines „Kriegerethos“ lauert, den Konter entschärft hatten, dass, was auch immer die unerfreulichen Implikationen sein mögen, der „universale Krieger“ historisch wahr sei. Dies musste zuerst erledigt werden, weil ich der Meinung bin, dass Wahrheit eine absolute Verteidigung in solchen Dingen ist; das Universum enthält sehr viele Tatsachen, die frustrierend unangenehm sind, doch als Historiker müssen wir uns mit der Welt befassen, wie sie ist, statt wie wir sie gern hätten (oder wie wir wünschten, dass sie gewesen wäre). Folglich war es, bevor ich mich über die Ideologie beschweren konnte, notwendig festzustellen, ob die historische Theorie wahr oder auch nur entfernt plausibel war.

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Starship Troopers bekommt ein Dutzend an der Gräting (2): Die Diskussion

Übersetzte Kommentare (ab hier) aus dem Originalstrang zu Rick Robinsons Essay „Starship Troopers“ bekommt ein Dutzend an der Gräting (Rocketpunk Manifesto, 19. März 2010). Bilder vom Übersetzer eingefügt.

Unknown [MRig]:

Johnny Rico lebt in einer kaputten Gesellschaft. Wir müssen das selbst herausfinden, denn das Buch ist in der ersten Person erzählt, was ihn definitionsgemäß zu einem unzuverlässigen Erzähler macht. Heinlein mag seine Ansichten im Allgemeinen teilen, aber der Punkt ist, dass wir nur Ricos höchst subjektive Perspektive sehen.

Der Autoritarismus der Militärausbildung ist in Ordnung in einer Gesellschaft wie unserer, wo es zum Großteil Freiwillige sind (obwohl es einige wirtschaftliche Probleme gibt, die die Arbeiterklasse einem ungebührlichen Druck aussetzen, sich zu verpflichten). Aber das Buch macht klar, dass man, wenn man in dieser Welt ein Vollbürger sein will, diese schreckliche Ausbildung über sich ergehen lassen und, wenn man sie besteht, einen xenozidalen Ausrottungskrieg führen muss. Wenn man aussteigt, hört man nicht nur auf, ein Vollbürger zu sein, sondern verliert auch jede Chance, jemals einer zu werden.

Die Herrschenden der Gesellschaft sind daher eine Kabale jener Leute, vorzugsweise großteils Männer, die diese brutale Tortur durchgestanden haben, denen aber auch von Jugend an und durch ihre Ausbildung hindurch beigebracht wurde, dass sie allein sie zu würdigen Bürgern der Republik macht. Es gibt dementsprechend wenig Vielfalt in der regierenden Klasse, und keinen Druck von unten nach oben. Ohne Reformen dieses Regierungssystems wird diese Art von Leuten generationenlang an der exklusiven Macht bleiben, wodurch der Militarismus mit einer ordentlichen Dosis konservativer, ältlicher Sturheit verkalkt wird. [Anm. d. Ü. zu „wenig Vielfalt“: Johnny Rico ist aber ein Filipino, Sergeant Jelal wird als „finnisch-türkisches Mischblut“ bezeichnet, es gibt Japaner unter den Rekruten, etc…]

Faschistisch? Ich würde dieses Wort nicht verwenden, aber etwas in der Art. Sie sind militaristisch, ungleich und genozidal. Das Individuum muss sich völlig dem Staat unterwerfen, um überhaupt erst ein Individuum zu werden. Sie sind demokratischer als Faschisten, aber nicht viel.

Vielleicht kann man mit den Bugs nicht vernünftig reden. Vielleicht gibt es, obwohl das nicht zwangsläufig daraus folgt, eine andere Wahl, als sie auszuradieren. Aber in einer Gesellschaft wie jener, die in Starship Troopers die Erde beherrscht, trifft dasselbe auch auf die Affen zu.

ElAntonius:

Ich habe gerade nicht die Zeit, um mich in eine voll durchdachte Antwort auf den Beitrag und MRigs Kommentar zu vertiefen, aber ich wollte auf etwas hinweisen:

Heinlein glaubte SEHR, dass es die Natur erfolgreicher Spezies sei, einander zu eliminieren. Er macht kein Hehl daraus: es gibt in der Galaxis keinen Platz für die Affen und die Bugs.

Es ist zugegebenermaßen keine sehr erbauliche Ansicht, aber es ist keine ohne ein Gefühl eines schweren, pessimistischen Realismus.

jollyreaper:

Das größte Problem, dem wir bei den großen Gedankenexperimenten in Form von Romanen mit politischen Themen begegnen, ist, dass sie letztendlich eine ausgefeilte Hypothese sind, die niemals wirklich einem Test unterzogen wird. Wie jeder Wissenschaftler oder Ingenieur euch sagen wird, kann der Test in der wirklichen Welt eine Sache sein, die demütig macht. Aber oftmals werden die Verfechter dieser Ideen schwören, dass sie funktionieren, und auf den Roman als Beispiel dafür verweisen, wie erfolgreich sie sein könnten!

Letztendlich sind wir wie zwei Generäle, denen die Langeweile eines langen, glorreichen Friedens zusetzt. Die Technologie hat Fortschritte gemacht, neue Taktiken sind entwickelt worden, sie finden sich als lautstarke Gegner in der Debatte darüber wieder, welche Methode überlegen ist. Und diese Frage kann unmöglich definitiv geklärt werden ohne eine Erprobung in einem richtigen Krieg. Aber selbst wenn die Anwendung des ersten Satzes von Taktiken zu einer vernichtenden Niederlage führt, werden die Verfechter vielleicht nicht bereit sein, jene Taktiken aufzugeben, und behaupten, dass das Scheitern nicht an den Taktiken lag, sondern daran, dass sie nicht energischer angewandt wurden!

Gleichwohl mache ich hier meine eigene Behauptung auf Basis eines unbegründeten Gedankenexperiments: Ich denke, es gab da irgendein Zitat aus einem griechischen Drama, dass die Quelle der Tragödie für einen großen Mann mit seiner Stärke zusammenhängen wird. Ich denke, etwas in der Art kann man über Regierungsformen sagen. Die Elemente, die ihnen Stärke geben, werden mit der Zeit verrotten und zur Ursache des Falls werden. Aber ich sage auch, dass jede Maschinerie bei fehlender Wartung versagen wird. Man gibt der Maschine nicht die Schuld für die fehlende Gewissenhaftigkeit des Mechanikers.

Ich kann sehen, wie ein System wie das von Heinlein vorgeschlagene erfolgreich funktionieren könnte, und ich kann sehen, wie es schließlich im Laufe der Zeit in Stücke fallen könnte.

Isegoria:

Ich habe das Buch ewig nicht mehr gelesen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Militärdienst ausdrücklich nicht die einzige Art von Dienst an der Allgemeinheit ist, die einen für das Wahlrecht qualifiziert – und Nicht-Vollbürger haben volle Eigentumsrechte etc. Sie sind keine Heloten.

Z:

Du hast meine enthusiastische Zwiespältigkeit schön eingefangen – mir fällt kein anderes Buch ein, dass sich seit dem Alter von neun Jahren wahrscheinlich vier- oder fünfmal gelesen habe und bei dem ich immer noch nicht sicher bin, ob ich es per se mag.

Seine relative thematische Einfachheit ist die Quelle sowohl von viel meines Genusses als auch meiner Betroffenheit. Die SF des Goldenen Zeitalters war im Großen und Ganzen die Verehrung des Gedankenexperiments in erster Näherung – die geistreichen spätnächtlichen Konversationen beim Bier über gesellschaftliche Fragen, ausgedehnt über ein paar hundert gedankenanregende, aber letztendlich simplistische Seiten. Uns wird eine Zivilisation mit einer politischen Kultur präsentiert, die vorgeblich auf einer starken Kultur der Freiwilligkeit und des staatsbürgerlichen Dienstes beruht (yay!), mit einem Mechanismus, mit dem versucht wird, moralische Gefahren durch selektives Wahlrecht abzuwehren (interessant, aber dass Heinlein versteht, warum die Wehrpflicht schlecht war, aber nicht, warum das allgemeine Wahlrecht gut ist, eh…), die ihren Status durch ständiges Kriegführen zur Unterstützung eines erfundenen, vage rassistischen möchtegern-malthusianischen Imperativs aufrechterhält (ick ick ick und noch dazu beweisbar falsch) – und dieses ganze Paket, vom bewundernswerten Ideal bis zu den entsetzlichen Implikationen, wird als eine große, leicht zu schluckende Pille über Bindungen unter Männern präsentiert, völlig ohne Ironie oder Nuance. Beim selektiven Wahlrecht mit militärischem Schwerpunkt geht es funktionell bloß um Feudalismus, und während zum Beispiel Dune voller feudaler Kulturen ist, wo ich nicht scharf darauf wäre, darin zu leben, hatte ich nie das beunruhigende Gefühl, dass die Charaktere die Risse in der Fassade nicht bemerkt hatten und es mir zu verkaufen versuchten – ganz im Gegenteil, in den späteren Fortsetzungen.

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Starship Troopers bekommt ein Dutzend an der Gräting (1): Ricks Essay

Von Rick Robinson. Original: Starship Troopers Gets a Dozen at the Grating, veröffentlicht am 19. März 2010 (Rocketpunk Manifesto). (Grätings sind die hölzernen Gitterroste, mit denen auf Segelschiffen Luken abgedeckt wurden und die man für Bestrafungen aufstellte, um Auspeitschungskandidaten daran festzubinden.)

Bugs, Mr. Rico! Zillionen von Bugs!“

Dies ist ein Kommentar zu dem Roman von Robert Heinlein, in dem jene unsterblichen Worte vorkommen, nicht zum Film von Paul Verhoeven, in dem sie (unerklärlicherweise) niemals ausgesprochen werden.

Mir gefällt Starship Troopers, das Buch, aber ich bin nicht ganz damit einverstanden. Dies ist für sich eine seltsame Aussage. Ganz abgesehen davon, ob es irgendjemand sonst kümmert, womit ich einverstanden bin oder nicht, ist es nicht die Art, wie ich oder die meisten Leute normalerweise über Science-Fiction-Romane reden. Aber die Leute reden über Starship Troopers nicht so, wie sie über andere SF-Romane reden, und ich werde das auch nicht tun.

Kommen wir gleich zum Kern der Sache: Die Debatte um Starship Troopers, und sie ist so alt wie das Buch, dreht sich hauptsächlich um das politische System und die militärischen Institutionen der Föderation, und um die Kultur darum, wie im Buch dargestellt. Was denkt Heinlein darüber, und was sollten wir darüber denken? In anderen Worten, die Diskussion dreht sich um die Politik des Buches.

Sollte sie überhaupt wichtig sein? Starship Troopers ist ein Science-Fiction-Roman, ein Werk der Romance. Es spielt in einer imaginären Zukunft, die KEIN dünn verhüllter Stellvertreter für Heinleins Gegenwart ist, und auch kein offener Kommentar zu dieser. Es gibt eine indirekte Erwähnung des Koreakrieges – eine wichtige, bei der es um die Nichtrückgabe von Kriegsgefangenen geht, in einem Buch, wo es ein bedeutendes Thema ist, dass „niemand zurückgelassen wird“. Aber Heinlein ist diszipliniert in seinen historischen Verweisen.

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